Callejon - Wir sind Angst

Four / Sony
VÖ: 09.01.2015
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Kreative Sackgasse

Man kann ja über Callejon sagen, was man will: Das Prinzip "Dicke Hose" beherrschen die Rheinländer. Denn seit dem Wechsel der Plattenfirma 2010 lassen die Hintermänner die geneigte Anhängerschaft bei jeder Veröffentlichung unter reichhaltigen Fan-Paketen, Sondereditionen und sonstigem Klimbim wählen, wenn es darum geht, Tonträger unter den Teil des Volkes zu bringen, der überhaupt noch Tonträger erwirbt. Der Lohn dafür: Top-Ten-Platzierungen in den Charts, ja, auch mit dem heftigste Fazialpalmierungen hervorrufenden "Man spricht Deutsch". Was wiederum beweist, dass Hitparadenpositionen und künstlerischer Anspruch nicht notwendigerweise korrelieren müssen, aber das nur am Rande. Doch obacht: Man wolle sich nun weiterentwickeln, hieß es im Vorfeld zu "Wir sind Angst", die Wut müsse raus. Betonen Callejon nun also mehr das "Core" in Metalcore, werden gar rebellisch?

Gemach, gemach. Zwar unternimmt der eröffnende Titeltrack den durchaus lobenswerten Versuch, angesichts von Krieg und Terror auf der Welt aus der biedermeierartigen Behaglichkeit aufzurütteln, doch bereits beim folgenden "1000 PS" zeigt sich, wie sehr dies ins Beinkleid gehen kann. Denn diese Mischung aus Moshpit-Einheizer, Motivationslyrik ("Wir sind das Volk / Simply the best") und dieser unsäglichen Solidarisierungsparolen aus dem Hause einer leider doch nicht ganz verblichenen Band aus Frankfurt sorgt eher für Fremdschämen, als dass die Zielgruppe zum Protest auf die Straße getrieben würde.

Warum nur dieser intensive Blick auf die Lyrics? Nun, allzu schnell wird klar, dass Callejon musikalisch schon längst nichts Neues mehr zu sagen haben. Natürlich ist das abgesehen von den zu Tode getriggerten Drums mehr als nur annehmbar produziert, natürlich dürfte der zugehörige Moshpit einem brodelnden Mahlstrom gleichen. Doch am Ende dominieren die immer gleichen Songstrukturen vom Modern-Metal-Reißbrett. Und wenn wie bei "Raketen" mal ein griffiger Refrain herauspurzelt, schafft es Vokalist BastiBasti (nein, das ist immer noch weder intelligent noch lustig), alles in Grund und Boden zu gurgelkreischen.

Und plötzlich reißt eine unerwartete Großtat aus der Lethargie. "Krankheit Mensch" ist düster, aufrüttelnd und geht vor allem einmal vom Gas, um die Botschaft des Songs umso eindringlicher und dystopischer einzuhämmern. Das macht Callejon zwar immer noch nicht zu Triptykon-Nachfolgern, aber es zeigt, dass möglicherweise tatsächlich noch bis dato ungeahntes Potenzial in der Band steckt. Was für die andere Richtung des Niveaus gleichermaßen gilt, fehlen beim Betroffenheitspop von "Erst wenn Disneyland brennt" nun wirklich jegliche Worte. So langsam dürfte sich somit die Frage stellen, wohin die Reise von Callejon gehen soll. Was die Charts angeht, ist die Antwort vermutlich klar, doch Reißbrett-Riffs und mäßig glaubwürdige Lyrics dürften die Suche nach einer neuen Nische drastisch erschweren. "Wir sind Angst" mag in Teilen möglicherweise ein Schritt in die Richtung sein, aber so wirklich ernstzunehmen ist das wahrlich noch nicht.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Raketen
  • Krankheit Mensch

Tracklist

  1. Trauma
  2. Wir sind Angst
  3. 1000 PS
  4. Dunkelherz
  5. Babel
  6. Raketen
  7. Unter Tage
  8. Neonblut
  9. Ich lehne leidenschaftlich ab
  10. Veni vidi vici
  11. Krankheit Mensch
  12. Schreien ist Gold
  13. Erst wenn Disneyland brennt
Gesamtspielzeit: 40:21 min

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