Unheilig - Gipfelstürmer
Vertigo / UniversalVÖ: 12.12.2014
Schrecken mit Ende
Am Ende eines Jahres schaut man rekapitulierend zurück auf die vergangenen Monate, erinnert sich an persönliche Geschehnisse, aber auch an die wichtigsten Schlagzeilen. Davon gab es heuer eine Menge gute – Deutschland ist Weltmeister, endlich, nach viel zu langen 24 Jahren –, aber auch sehr viele schlechte, insbesondere, wenn von bewaffneten Auseinandersetzungen, Krieg und Verbrechen gegen die Menschlichkeit die Rede war. An dieser Stelle widmen wir uns aber lieber einer weiteren guten Nachricht, die jedoch nichts mit Mario Götze, Jogi Löw und Manuel Neuer zu tun hat, aber trotzdem in Ekstase versetzt hat: Unheilig lösen sich auf, endlich, nach viel zu langen 15 Jahren.
Zum Abschied schrieb der Graf im Oktober einen pathostriefenden Brief an seine Jünger, in dem der überzeugte Glatzenträger über seine Träume, Hoffnungen und Botschaften referierte, so unnachgiebig bedeutungsschwanger und spaßbefreit, man wähnte sich schon fast auf einer Beisetzung. Passt ja auch zum Gesamteindruck, den man von Unheilig hat. Begonnen als fragwürdige Gothrock-Eindeutscher für eifrige EMP-Kunden aus der Provinz, entwickelte sich die Band aus Aachen zu einem Konsens-Act, der es sich zwischen Rammstein und Helene Fischer bequem gemacht hat und folglich all jene Eigenschaften auf sich vereint, die man an deutschsprachiger Musik schrecklich findet. Auch "Gipfelstürmer", das nun erscheinende finale Album, gehört in seiner zur Schau gestellten Theatralik zum seichtesten, was hierzulande im Radio läuft und das will was heißen, bei all den Bendzkos, Bouranis, Bergs, Fischers und Tawils. Die Songs von Unheilig sind letzten Endes so ölig, man könnte in ihnen Thunfisch einlegen.
Die Platte beginnt mit dem triumphalen Tuten eines Zuges, was sich für den weiteren Verlauf von "Gipfelstürmer" als Leitmotiv herausstellt. Tatsächlich ist ebendieser unfreiwillig komische Moment zu Beginn und am Ende des Albums das heimliche Highlight dieser musikalischen Butterfahrt durch triste Soundlandschaften. Dazwischen gibt es die übliche Stangenware, die mit der für Unheilig und Konsorten üblichen Erbauungslyrik zum Weitermachen, Aufstehen, Kämpfen ermutigen soll. Im durch und durch platten "Die Weisheiten des Lebens" palavert sich der Graf, großer Hobbyphilosoph von Gottes Gnaden, durch genau jene Kalendersprüche, die seltsame Leute auf sozialen Plattformen tagtäglich teilen, um noch seltsameren Leuten Mut, Trost oder sonst was zu spenden.
Stilistisch sind Unheilig ein weiteres Mal darum bemüht, mit ihrer Melange aus seichtem Schlagerpop und gruseliger Oomph!-Härte alle im Alter von neun bis 99 einzufangen. Soll heißen: Weder die Omma am ohnehin noch kaum funktionstüchtigen Volksempfänger, noch der rebellische Enkel im Nightwish-Shirt sollen außen vor bleiben. Die Kundenbindung ist alles und Unheilig wissen, wie sie ihr Opium unters Volk bringen. Letztlich läuft hier alles auf die vollumfängliche Inklusion sämtlicher Hörerschichten hin, jeder soll sich von den Allgemeinplätzen angesprochen fühlen: die Kranken und die Schwachen, aber auch Leute, die mit des Grafen Musik bislang nichts zu tun hatten. Einzig Menschen, die es immer besser wussten, müssen wohl weiter draußen bleiben. Ab jetzt und gottlob: für immer.
Highlights & Tracklist
Highlights
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Tracklist
- Der Berg (Intro)
- Hinunter bis aufs Eis
- Zeit zu gehen
- Die Weisheiten des Lebens
- Zwischen Licht und Schatten
- Glück auf das Leben
- Wie in guten alten Zeiten
- Alles hat seine Zeit
- Echo
- Mein Berg
- Goldrausch
- Held für einen Tag
- Dem Himmel so nah
- Wir sind die Gipfelstürmer
- Hand in Hand
- Der Gipfel (Outro)
Im Forum kommentieren
the bayyng of thy hounds
2014-12-14 19:36:53
Unhylyg yst nur dy Ybermutter der Porzellankyste
Fehlerfinder
2014-12-14 19:18:51
"Santiano" erscheinen zweimal in den Referenzen.
Bitte schnell ändern!
mîckî
2014-12-12 16:10:12
Und ich muss gestehen, dass Opeth einfach geil sind.
Desare Nezitic
2014-12-12 14:18:15
Ich muss gestehen, dass Cover ist recht cool.
Anerkennend Nickender
2014-12-12 12:02:59
eins muss man dem Grafen aber lassen: er schreibt gute Popsongs mit Ohrwurmpotential.
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