4lyn - Neon

Motor / Universal
VÖ: 09.09.2002

Lynchjustiz

2001 war ein Konsensjahr. Egal, ob man sich nun uneingeschränkt solidarisch gab oder mit vereinten Kräften auf die deutschen Elite-Kicker eindrosch - alle waren sie einer Meinung. Was auch und ganz besonders bezüglich 4lyn galt. Als wären Phrasen der Marke \"Deutschlands Antwort auf Limp Bizkit\" nicht bereits genug der Vernichtung gewesen, gaben sich auch die Leser von Plattentests online ganz und gar einig und verpaßten dem Debüt des Hamburger 4-Personen-Haushalts die goldene Himbeere für das schlechteste Album der 2001er-Auslese. Und alle fanden das gut so.

2002 ist nun das Jahr, in dem es Meinungen zu relativieren gilt. Unser Bundes-Gerd klingt in jüngsten Kundgebungen gar nicht mehr so uneingeschränkt, wie George Dabbelju sich das wünschen würde, Rudis Rumpelfüßler sind plötzlich gefeierte Fußballgötter und 4lyn strafen mit Album Nummer zwei alle Kritiker Lügen und steigen zum nationalen Klassenprimus harter Musik auf. Okay, vielleicht macht man über so was wirklich keine Witze. Aber geben Sie\'s doch zu, für einen Moment haben Sie auch gestockt.

Kann passieren. Denn schon die Vorabsingle \"Pearls & beauty\" zum neuen Album \"Neon\" überraschte mit erfreulichen Tönen, die man den vier Berufsgrobmotorikern so gar nicht zugetraut hätte und einem ernsthaft ohrenbesetzenden Refrain. Daß dann auch noch der Opener \"Me vs. me\" unerwartet unmißglückt mit erfrischend unverbrauchten Gitarrenbreitseiten daherkommt und sich auch hinter der zweiten Single \"Husky\" eine satte Rock-Hymne inklusive Pop-Appeal versteckt, macht die Verblüffung fürs erste perfekt. Keine Frage, 4lyn haben gelernt. Alles andere wäre ja auch noch schöner gewesen.

Abgesehen davon machen ein paar gute Noten natürlich noch längst keine Musterschüler aus den Crossover-Klassenclowns. So bleibt nicht nur unbegreiflich, wie 4lyn für \"None of y\'all\" einen Credibility-Weltmeister wie Afu-Ra an Land ziehen konnten, sondern auch, wie man eine solche Chance mit Sextaner-Geprolle à la \"We keep things cookin\' from Hamburg to Brooklyn\" derartig in den Sand setzen konnte. Schade drum. Nicht schade, sondern einfach nur schlecht sind dann wiederum ein plattgebouncter HipHop-Bierbank-Schunkler wie \"Brompton-City anthem\" oder das peinliche \"Keep it real\"-Geseiere aus \"Realcuties\". \"You try to be the next R.A.T.M. / But hey / To me you faggots look like YMCA\". Word.

(Daniel Gerhardt)

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