Taylor Swift - 1989
UniversalVÖ: 27.10.2014
Melodien für Abermillionen
Wie fühlt man sich eigentlich mit 70 Millionen Facebook-Fans? Oder 45 Millionen Followern auf Twitter? Taylor Swift kann mit einem getippten Satz von ihrem Handy mehr Menschen auf einmal erreichen als Fernsehsender, Politiker oder - man glaubt es kaum - Rihanna. Der größte Teil von Swifts Publikum mag zwar aus 14-jährigen Mädchen bestehen, aber das macht die Sache ja eher noch relevanter. Die Kinder sind schließlich unsere Zukunft und so. Insofern sollten sich Eltern in aller Welt freuen, wie gut informiert, intelligent und vorsichtig Taylor Swift mit den sozialen Medien umgeht.
Die 1989 Geborene ist wie so viele ihrer Generation im Internet und wie nicht so viele im Rampenlicht erwachsen geworden. Wer ein Interview mit ihr liest, merkt beides sehr schnell. Swift ist nicht nur Social-Media-Profi, sondern auch PR-Expertin. Alles, was sie sagt, ist bedacht und geschliffen. Erstaunlicherweise erscheint sie dabei aber nicht allzu flach und abgestumpft, sondern durchaus reflektiert: "Ich weiß sehr wohl, dass mein Leben nicht mit dem der meisten anderen Menschen vergleichbar ist. Wer bin ich, anderen Leuten zu sagen, was sie wählen sollten?" Und was hat all das mit ihrem fünften Studioalbum zu tun?
Nun, die Platte klingt ganz genau so, wie Swift sich gibt. "1989" ist Popmusik für ein großes, ja gigantisches Publikum. Die Songs handeln von Teenager-Themen, die Produktion ist modern und sauber, die Texte (und Musik) selbstgeschrieben, aber immer auch etwas distanziert. Von ihren Countrywurzeln hat Swift sich komplett gelöst. Stattdessen habe sie sich musikalisch von ihrem Geburtsjahr inspirieren lassen, heißt es. Synthies, Drum Machines und derartiges Klimbim zollen über das ganze Album verteilt zweifellos den ausgehenden 80ern Tribut. Retro klingt "1989" trotzdem nicht. Zu zahlreich sind die Anspielungen und Zitate, die sich auf ganz aktuelle Trends der Popmusik beziehen, zum Beispiel auf das Hymnisch-Bombastische von Lady GaGa oder den andauernden Erfolg von R'n'B.
Im Kontext der industriellen Gigantomanie, die das Popgeschäft so mit sich bringt, sind Swifts Songs dann aber doch erfreulich persönlich. Dass sie eine gute Songwriterin ist, ist kein Geheimnis. Im Umfeld der Countrymusik ist es eigentlich selbstverständlich, dass Sängerinnen und Sänger sich auch kreativ einbringen. In der Welt des maßgeschneiderten, überproduzierten und industriell gefertigten Popsongs ist es aber nicht Usus. "1989" ist nicht autobiografisch, aber die Platte erzählt Geschichten, wie The Hold Steady sie auch erzählen. Aus weiblicher und etwas zahmerer Perspektive vielleicht, aber nichtsdestotrotz Stories, die der standardmäßigen "Frisch verliebt/Koitus/Beziehung vorbei"-Lyrik mehr Farbe und Kontur verleihen und ihr neue Perspektiven abverlangen.
Das etwas lauwarme "Welcome to New York" ist insofern nicht der optimale Einstieg in die Platte, da der Song seine textlich gewollte Oberflächlichkeit nicht mit der etwas verunglückten Hymnenhaftigkeit wett machen kann. Im weiteren Verlauf gelingt beides besser - sowohl die Texte als auch das Drumherum. "Out of the woods" überzeugt mit einem hämmerndem Refrain und gesunder Selbstironie: "Remember when you hit the brakes too soon / Twenty stitches in a hospital room / When you started crying / Baby, I did too". Die erste Single "Shake it off" zelebriert das Tanzen mit ansteckender Euphorie. Und "Blank space" ist Swifts äußerst ohrwurmig geratener und geglückter Versuch, einen R'n'B-Hit zu schreiben.
Ins Stottern gerät "1989" erst im letzten Drittel. Hier stapelt sich das Halbballadige zunehmend übereinander. "Wildest dreams" mit seinen hoffnungslos kitschigen Synthie-Wolken geht noch in Ordnung, aber ab "This love" beißt sich der 80er-inspirierte Sound dann arg mit Swifts Versuch, ein paar der Songwriting-Standards aus dem Country-Metier hinüberzuretten, auch wenn es ein ehrenhafter Versuch ist. Taylor Swift ist hat unter dem Druck von Millionen und Abermillionen von Fans nicht das perfekte Popalbum aufgenommen, aber ein richtig gutes. Wenn alle 14-jährigen Mädchen der Welt diese Platte hören, kann es nicht so schlecht um die Zukunft der Mainstream-Musik stehen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Style
- Out of the woods
- Shake it off
Tracklist
- Welcome to New York
- Blank space
- Style
- Out of the woods
- All you had to do was stay
- Shake it off
- I wish you would
- Bad blood
- Wildest dreams
- How you get the girl
- This love
- I know places
- Clean
Im Forum kommentieren
Leatherface
2015-02-25 21:47:59
"Style" ist ein Geschenk des Himmels. Hat lange gedauert bis der Drive-Soundtrack gänzlich Einzug in den Mainstream hält und dann erledigt das ausgerechnet Taylor Swift.
Es scheint sich nun gänzlich durchgesetzt zu haben, dass im Falle von Mainstream-Pop-Alben die Bonustracks besser sind als so einige Albumtracks. Warum nicht die euphorische Discokugel "New Romantics" statt die Filler-Definition "How You Get The Girl"? Wozu die Lana Del Rey-Farce "Wildest Dreams", wenn es auch das schöne "You Are In Love" mit seinem "Nach Hause gehen nach einem tollen Date"-Vibe gibt?
hubschrauberpilot
2014-12-02 17:48:34
Nicht meine Musik, aber ist sie doch eine der sympatischen Leute im Popbusiness.
finde ich auch, endlich mal eine sängerin die nicht wie miley cyrus, britney spears oder lady gaga ständig abseits der musik für schlagzeilen sorgen muss, sondern einfach durch ihre stimme überzeugt.
auch wenn sie aus dem country bereich kommt waren die songs schon immer sehr poppig, das album 1989 ist die konsequente hinwendung zum reinen pop ala katy perry und konsorten.
Bonzo
2014-11-12 23:34:59
Hat mit dem Album überhaupt nichts zu tun. Ich finds trotzdem großartig: https://www.youtube.com/watch?v=r1LvKP72wcI
sportsfreund
2014-11-11 20:12:05
für one-trick pony wigger bietet das album vermutlich einfach zu wenig angriffsfläche um sich in unreflektiertes hipster-bashing zu zelebrieren.
Achim
2014-11-11 19:08:44
Tobias Rapp, geboren 1971, studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften.
und auf so jemandes urteil sollte man etwas geben? :D
Achim.
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