HGich.T - Megabobo

Tapete / Indigo
VÖ: 07.11.2014
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Hochbegabt im Drogengrab

Das Hochladen von Videos geht weiter, immer weiter! Die Damen und Herren des Künstlerkollektivs HGich.T scheren sich aber einen feuchten Dreck um Hypes. In "Der Laster" verrät eine der zahlreichen Figuren zart-schmachtend, genau für einen Zweck zu leben: "Heut' koks' ich auch mein Erbe weg." Während HGich.T in Interviews immer wieder zu Protokoll geben, ihr Kollektiv nicht für ein kurzes Ausschlachten im Scheinwerferlicht zu missbrauchen, sondern etwas von Dauer zu schaffen, leben die Figuren in den Liedern immerzu im Jetzt und für den Moment. Das führt zu Kontinuität bei gleichzeitig stetiger Veränderung, gerade was die Qualität der Produktion angeht. Von simpler produzierten Liedern wie "Tutenchamun" und "Hauptschuhle" haben HGich.T das Projekt mittlerweile zu komplexen Text- und Songstrukturen weiterentwickelt. Auf ihrer dritten LP lässt sich die Idee der beiden Seiten des Rauschs nachvollziehen.

"Diddelmaus Ballerina" überzeugt auf Youtube zunächst durch seine attraktive Protagonistin, die bei Live-Auftritten fürs Rauchen, für ekstatischen Obstverzehr und Gesichtsbemalung zuständig ist. Dadurch provoziert sie formvollendete Kommentare von "Schöne Brüste" bis zum herzallerliebsten "Ich will die heiraten wenn sie mag?" von einem User namens John Rambo. Ein famoses Signal, wenn sogar der Actionheld in Sachen Ehe um Erlaubnis bittet. Dieses Lied erhält in seiner Anbetung an die junge Frau einen fast religiösen, wahnhaften Charakter. "Dr. XTC" stellt einen Bruch in zweierlei Hinsicht dar. Im ersten Teil verrät eine Stimme engelsgleich in abhängiger Harmonie, dass sie heimlich verbotene Substanzen nehme, um den Schmerz fort zu tanzen. Sie beschreibt die befreiende, ekstatische Seite des Rausches. Im zweiten Teil des Liedes kippt die Stimmung vermittels technoider Klänge und "Dr. XTC" verführt die junge Partygängerin zu weiterem Drogenkonsum, um die enthemmende Wirkung der Substanz nutzbar zu machen – und schließlich die Frau. Loszulassen wird zur entgrenzten Gefahr und formuliert Einblicke in die stampfende Abgeh-Kultur. HGich.T verkneift sich eine distanzierte Kritik auf dieses Phänomen und verbleibt in lärmender Abbildung.

"Dr. XTC" markiert außerdem den thematischen Wendepunkt auf "Megabobo" und eröffnet die größtenteils melancholische zweite Hälfte des Tonträgers. Schon "Lawine der Tränen" wird zum Tearjearker sondergleichen, aber in "Gedankenharfe" wird der Vogel bedingungslos abgeschossen. Darin wird der eigenen Bedeutungslosigkeit eine reflexive, philosophische Ebene zugeführt. Eingreifen, Verändern oder Schaffen hat keinen Sinn, denn das "Nichts aus dem Universum" hat stets das letzte Wort. So versinkt die Protagonistin im Video gleich der Frauengestalt in Albrecht Dürers "Melencolia I" in einen Zustand des Grübelns. Den Schulfreund auch nur anzurufen ist aussichtslos, eher bietet "Emme aufm Mainfloor" die kurzfristige Lösung. Verhängnisvoll bleibt sie in der debilen Smartphone-Welt verhaftet, die förmlich danach schreit, Voodoo-Zauber als zweckmäßig zu erkennen. Schließlich kann der flauschige Kater grad nicht gestreichelt werden, sondern nur sein Bild auf der Benutzeroberfläche.

Goa, Performance, Musik, Kunst und Trash – die "taz" nennt es "Entertainment mit Gewalt". "Megabobo" ist ein Album voll (drogenverherrlichendem) Humor, Aufarbeitung von (drogeninduzierter) Melancholie und Bass. Illustriert wird der Inhalt nonsens-gleich mit einem Cover, welches H.P. Lovecrafts Cthulhu ziert, ohne jemals Metallica zu sein. Zwischen Rausch und Kater, zwischen Droge und Antidepressivum. In "Der Laster" wird der Absturz auf den Punkt gebracht: "Powergeil! Ich bereue nichts!"

(Henrik Beeke)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Dr. XTC
  • Der Knast hat viele Gesichter
  • Gedankenharfe

Tracklist

  1. Den Rosenkavalier (2014)
  2. Diddelmaus Ballerina
  3. Der Laster
  4. Die brennende Kinderjacke
  5. Im Nachtbus nach Billstedt
  6. Liebesbrief mit Elfenohren
  7. Mein Gehirn
  8. Dr. XTC
  9. Schneefenster
  10. Der Knast hat viele Gesichter
  11. Techno Oma
  12. Nachts steh' ich heimlich auf dem Klodeckel
  13. Domian
  14. Gedankenharfe
  15. Kopf hoch, kleine Lotusblume
Gesamtspielzeit: 56:17 min

Im Forum kommentieren

Leider ungeil

2014-11-04 00:38:57

Linke raus!

Code Nasher

2014-11-03 22:35:11

Ich freu mich drauf. Endlich mal ein musikalischer Lichtblick 2014... Ungehört 10/10!

Listencleaner

2014-11-03 17:09:53

Ein Album für die Ewigkeit.

Bibo

2014-11-03 16:13:19

Babos wissen, wer der Bobo ist.

Armin

2014-10-28 22:45:28

Frisch rezensiert! Meinungen?

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