The Ting Tings - Super critical

Finca / PIAS / Rough Trade
VÖ: 24.10.2014
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Pfad der Jugend

Als ob es nicht schon genug wäre, sich nach dem Wochenende mit dem ungeliebten Montagmorgen arrangieren zu müssen, setzt die Lektüre und Recherche rund um die neue Platte der Ting Tings noch einen drauf. Und zwar im Sinne eines Ohrwurm-Fortsatzes, den wirklich niemand braucht, der sich aber wie ein Virus in den Hirnwindungen festsetzt und sich nur mühsam wieder von der Festplatte löschen lässt. Was es dazu braucht? Leider nicht mal das Öffnen eines diebisch-hinterhältigen E-Mail-Anhangs. Es genügt, dass einem die Buchstaben I-B-I-Z-A vor der Nase herumschwirren. Na, jetzt auch infiziert? Kommt schon, zumindest die Älteren müssten sich unsanft an Vengaboys Ende der Neunziger erinnert fühlen. "Woah, we're going to Ibiza. Woah! To the island!" – das dachten sich nun tatsächlich auch Katie White und Jules De Martino aka The Ting Tings, als sie sich im Spätsommer 2013 entschieden, eine Finca auf der Balearen-Insel zu beziehen.

Und dieser Schritt weg aus England, wo die Band rund um ihr schwieriges zweites Album deutlich mehr zu kämpfen hatte, als ihnen lieb war, ist förderlich gewesen, um die Lockerheit ihres Debüts "We started nothing" zumindest ansatzweise wieder aufleben zu lassen. Dabei kam dem britischen Dancepop-Duo die Clubszene Ibizas genauso zugute wie die inspirierende Auseinandersetzung mit dem funky Disco-Sound der frühen 1970er-Jahre. Vor allem aber gab ihnen die Ablösung vom ungeliebten Label Columbia Records Auftrieb und Mut, sich frei zu machen von all dem Ärger, von dem immensen Erwartungsdruck, den Megahits wie "Shut up and let me go" oder "That's not my name" heraufbeschworen. Dass die beiden damals gar als Hit-Lieferanten für Katy Perry oder David Guetta angefragt wurden, unterstreicht zwar die Anerkennung, die die Marke Ting Tings seither weltweit genießt – doch für White und De Martino war sofort klar, dass rein konsum- und erfolgsorientiertes Songwriting nicht ihr Ding ist. "The hits we've written have been happy accidents", gibt White schmunzelnd zu Protokoll.

Dabei startet ihr neues, drittes Studioalbum keineswegs zurückhaltend. Sowohl der Titeltrack als auch das folgende "Daughter" sind leicht überzogene Protokolle des neuen Selbstbewusstseins, das "Super critical" zugrunde liegt. Bässe und Beats boxen dem Hörer gleich zur Begrüßung hektisch in die Magengegend, und auch stimmlich fällt White gleich mal mit Pauken und Trompeten in die Girlpop-Stube. Dass The Ting Tings anno 2014 glücklicherweise dann doch nicht bei Katy Perry oder Nelly Furtado zu Hause sind sondern eher in den spärlich beleuchteten Club-Nischen, wird spätestens ab "Do it again" deutlich: Zum ausgelassenen Tanzen braucht es eben nicht mehr als einen entspannten Rhythmus, eine schöne Melodie und ja – natürlich diese funky Rhythmus-Gitarre, die sich nun immer mehr in den Vordergrund schleicht. Und als wäre es das leichteste der Welt, diesen Track noch einmal zu toppen, schickt das Duo mit "Wrong club" gleich einen Knaller hinterher, wie maßgeschneidert für feucht-fröhliche Nächte auf den Tanzflächen der Indie-, Pop- und Electronica-Disco.

Auch "Communication" und "Only love" schlagen in diese Kerbe: Beat, Funk-Gitarre, Keyboards. Dazu gönnt sich "Super critical" hier und da mal Bläser oder wagt einen kleinen Schritt in Richung Funk wie in "Green prison". All das macht gewiss Spaß, unterm Strich aber können die neuen Songs auch nicht verschleiern, dass vieles letztenendes zu häufig zu skizzenhaft bleibt. Dass diese neun Tracks im Durchschnitt knackig und kurz gehalten sind, war eine richtige Entscheidung. Dass jeder Song aber aus nur einer oder anderthalb Grundideen besteht, und dieses Motiv dann auch kaum variiert, auf Dauer eher weniger. Immerhin fanden The Ting Tings in verschwitzten mediterranen Nächten wieder auf den Pfad der Jugend, den sie einst in UK aus den Augen verloren. Und wenn ihnen auf diesem Weg wieder Unfälle passieren, die sich als unzerstörbare Ohrwürmer outen, dann haben wir nichts zu meckern. Bitte, bitte aber bloß keinen Song über Ibiza!

(Eric Meyer)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Do it again
  • Wrong club
  • Communication

Tracklist

  1. Super critical
  2. Daughter
  3. Do it again
  4. Wrong club
  5. Wabi Sabi
  6. Only love
  7. Communication
  8. Green prison
  9. Failure
Gesamtspielzeit: 32:24 min

Im Forum kommentieren

Armin

2014-07-24 00:18:33

THE TING TINGS

„That´s not my name“ wiederholt Sängerin Katie White im gleichnamigen Song immer wieder und macht deutlich, wie man sie besser nicht ansprechen sollte. Das war eine prägnante Ansage, das war ein Hit, das war im Jahr 2009. Nun melden sich The Tings Tings im Oktober (VÖ: 17.10.14) eindrucksvoll mit dem Album „Super Critical“ zurück.
Die erste Single hört auf den Titel „Wrong Club“. Auch wenn Katie White sich im Refrain beschwert, man möge sie doch aus der falschen Discothek befreien, klingt die dazugehörige Musik als wäre sie eigentlich goldrichtig. Die prägnante Funk-Gitarre ist die perfekte Grundierung für den lässigen Pop Song, der Richtung Dancefloor schielt. Damit ist ein erstes Ausrufezeichen gesetzt. Bebildert zu bestaunen ist das Ganze hier.

http://vimeo.com/100793952

http://www.thetingtings.com

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum