Jamie Cullum - Interlude
Island / UniversalVÖ: 03.10.2014
Den Trauben Zucker
Natürlich ist es nie zu spät, Sympathien für Jamie Cullum zu entwickeln. Sollte sich keine Begeisterungsfähigkeit eingestellt haben für dessen virtuoses Pianospiel, dann hat er ja vielleicht manches Ohr erreicht, als er Rihannas Dance-Stampfer "Don't stop the music" formidabel auf links drehte. Vielleicht hat es Klick gemacht, weil man mitgeschleppt wurde zum Konzert und erlebte, zu welch einem Derwisch der 35-Jährige auf der Bühne mutieren kann und wieso Crossover-Künstler zwar ein höchst schwammiger, aber auch nicht sonderlich falscher Begriff für den Mann ist. Für alle diese Hörer und ihre unterschiedlichen Zugänge stellt Cullums Jazz-Verbundenheit eine Selbstverständlichkeit dar – wer ihn spätestens seit "Twentysomething" begleitet, wünschte sich gar, er möge diese Seite doch noch einmal in Gänze ausleben. Nun: Er wäre dann soweit.
Cullum wollte für "Interlude" klassische Standards vermeiden. Umso mehr überrascht dann vielleicht doch die erste Single, das allseits bekannte, einst von Nina Simone eingesungene und schon hundertfach interpretierte "Don't let me be misunderstood". Ein schier unkaputtbarer Song, erst recht, wenn sich Cullum dazu ans Klavier begiebt und in Person von Gregory Porter den neuzeitlichen Star des klassisch geprägten (Soul-)Jazz dazu bittet. Der stets wollbemützte und bärtige Bär von einem Mann mit der sanften Stimme, dessen 2013er-Werk "Liquid spirit" beiläufig empfohlen sei, übt sich hier an der Seite des Briten in vokaler Eintracht, von der sich Brass-Sektion und Streicher mitreißen lassen.
Porter sei in seiner Radiosendung bei der BBC zum ersten Mal überhaupt zu hören gewesen, behauptet Cullum, ebenso wie Laura Mvula, die später noch Erwähnung findet. Durch jene Radiosendung lernte er auch weitere Künstler der britischen Jazz-Szene kennen. Eins führte zum anderen, und letztlich spielten ein paar begabte Musiker innerhalb weniger Tage alle gemeinsam in einem Raum dieses Album der Leichtigkeit ein. Völlig entspannt tippeln Piano, Schlagzeugbesen und Trompete durch die Anfangsminuten: "Dadadada", wirft Cullum lautmalerisch in "Interlude" ein, "When I thought romance really found me / Love was just an interlude." Ein Intermezzo ist es freilich nicht, sondern der Start für die verspielte Interpretation des Ray-Charles-Songs "Don't you know" und die sehr stimmige, nur marginal veränderte und daher gespenstisch gehaltene Fassung von Sufjan Stevens' "The Seer's tower".
Für "Sack o' woe" setzt Cullum auf Schellenkranz-Claps und behält sich emotionale Höhepunkte für den Schluss vor. "My one and only love", liebe Damen, ist die Art Liebeserklärung, die gegen 2 Uhr nachts entsteht, wenn man leicht angesäuselt einen Blick auf die schlafende Liebste wirft, aber in den Fingerspitzen noch genug Filigranität für ein feines Piano-Solo besitzt. Und "Losing you" bildet eindrucksvoll den nachwirkenden Schmerz ab, wenn die einst Besungene zerbrochene Herzen hinterlässt. "Out of this world" krönt sich verdientermaßen selbst zur besten Jam-Session dieser Platte und dann wäre da ja noch Laura Mvula. Ihr Einsatz nach Cullums passender, leicht ermatteter Einführung in "Good morning heartache" gleicht einem Ritt in die Zwanzigerjahre, als ertöne ein 80 Lenze altes Vokal-Sample. Wenn Kopfschmerzen immer so klängen, wäre Aspirin morgen pleite.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The Seer's tower
- Don't let me be misunderstood (feat. Gregory Porter)
- Losing you
- Out of this world
Tracklist
- Interlude
- Don't you know
- The Seer's tower
- Walkin'
- Good morning heartache (feat. Laura Mvula)
- Sack o' woe
- Don't let me be misunderstood (feat. Gregory Porter)
- My one and only love
- Lovesick blues
- Losing you
- Out of this world
- Make someone happy
Im Forum kommentieren
Knackschuh
2014-10-06 22:57:05
Wie soll er das machen, wenn er bereits seit gut einem Jahr unter selbigem liegt?
Fischli
2014-10-06 22:51:17
Paul Kuhn trinkt den locker untern Tisch!
Armin
2014-10-06 21:34:06
Frisch rezensiert! Meinungen?
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