Kele - Trick

Lilac / Kobalt / Rough Trade
VÖ: 10.10.2014
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Ohne faulen Zauber

Sämtliche Klarheiten beseitigt: Ein Gerücht besagte einmal, Gitarrist Russell Lissack habe verlauten lassen, dass Kele Okereke nie wieder für Bloc Party singen würde – das Dementi folgte umgehend. Trotzdem löste sich die Band 2013 vorübergehend auf, nur um vor kurzem mitzuteilen, die Arbeit an einer fünften Platte habe begonnen. Es bleibt also spannend – die Wartezeit verkürzt Okereke mit seinem zweiten Album unter eigenem Namen. Und geht man nach seinen bisherigen Solo-Bemühungen, könnte auf diesem so ziemlich alles drauf sein: Knarzige Tanz-Bomben oder schlaue Bloc-Party-Aggregate genauso wie belanglose Ragga-Powackler oder blökende Techno-Rock-Märsche wie "Walk tall" vom Debüt "The boxer", an denen jeder Drill Instructor seine Freude hätte. Welchen "Trick" versucht er jetzt wohl, nachdem die EP "The hunter" 2011 nichts Halbes und nichts Ganzes war?

Zunächst einmal: überhaupt keinen. Zu behutsam schleicht sich der Opener samt sachtem Groove und zweiter Sängerin an – eins von zwei Duetten auf "Trick". Diese "First impressions" sind so unaufdringlich wie kaum etwas, das der Brite zuvor solo auf die Beine gestellt hat – was führt er also im Schilde? Falsches Spiel mit beziehungsweise ohne Indie-Rock und Electro-Dance? Fest steht jedenfalls: Da Okereke dieses Album weitgehend alleine produziert hat, weiß er wahrscheinlich selbst am besten, was er tut. Zumal viel Gutes dabei herauskommt. Wie die Single "Doubt", die einen luftig verbreakten Beat mit einer latent bösen Fläche koppelt, die ähnlich unerbittlich reingedreht wird wie bei "Out of control" von den Chemical Brothers. Kele hingegen hat alles im Griff. Zumindest musikalisch.

Da schwebt der schüchterne Balztanz "Coasting" mit bang zweifelndem Soul in der wie immer leicht näselnden Stimme so geisterhaft auf diskreten Dubstep-Schlaufen ein, dass der Hörer kaum umhin kommt, mal wieder den Burial-Remix von "Where is home?" herauszukramen. Nicht die einzige zarte Bloc-Party-Reminiszenz: Das sehnsüchtig zwischen ausgebremstem Drum-Pattern und einer wunderbaren kleinen Gitarrenmelodie oszillierende "Closer" verströmt genau die "Intimacy", die dem gleichnamigen, allzu hochgejazzten Album seinerzeit abging – dazu ist es erneut eine Frau, die bittet: "Go easy on this heart." Allerdings verliert "Trick" ausgerechnet dann an Tiefenschärfe, wenn Okerekes Herzensangelegenheiten in den eher simpel gestrickten Seufzern "My hotel room" und "Stay the night" bestens geregelt zu sein scheinen.

Sicher kann man das alles von Anfang bis Ende, also vom flüchtigen Augenkontakt im ersten Track bis zum Liebesakt im letzten, als Chronik einer sich anbahnenden Beziehung hören. In deren Verlauf auch gemeinsam ausgegangen wird – etwa in die Clubs, wo Okereke sich zuletzt als House-DJ betätigte und in denen Stücke wie "Like we used to" oder das angedunkelte Minimaltrance-Brett "Humour me" gut aufgehoben wären. Und doch nagt zuweilen der latente Makel des Bruchstückhaften an diesen Songs, die hier und da die letzte Konsequenz oder eine schlüssige Auflösung vermissen lassen. Denn auch wenn Kele ohne faulen Zauber und mit beachtlicher musikalischer Umsicht ein äußerst eigenständiges Album gelungen ist, hat man das unbestimmte Gefühl, dass ihm irgendetwas fehlt. Vielleicht eine Band?

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Doubt
  • Closer
  • Humour me

Tracklist

  1. First impressions
  2. Coasting
  3. Doubt
  4. Closer
  5. Like we used to
  6. Humour me
  7. Year zero
  8. My hotel room
  9. Silver and gold
  10. Stay the night
Gesamtspielzeit: 41:07 min

Im Forum kommentieren

Affengitarre

2021-08-12 21:44:58

Die "Boxer" geht einfach mehr ab, die "Trick" ist da einfach entspannter und wie du es auch schon andeutest ein Stück unspektakulärer. Ich mag aber beide Alben.

Croefield

2021-08-12 21:39:26

Ja, das mit der Wertigkeit und den Sängerinnen kann ich unterschreiben. Ich würde Boxer trotzdem noch vorziehen, Trick ist aber auf jeden Fall runder.

Affengitarre

2021-08-12 21:16:43

Gefällt mir schon noch besser als der Vorgänger, die Produktionen klingen irgendwie wertiger, so als hätte er diesen Sound hier endlich gefunden. Kann man auch echt gut durchhören. Schön auch die Gastsängerinnen, da kommen einige nette Duette zustande. Könnte er öfter mal machen.

Croefield

2021-08-08 13:34:08

Ich kenne mich in dieser Musikrichtung nicht aus, ich könnte nicht mal sagen, was das genau ist. House im weitesten Sinne? Teilweise ja auch fast schon loungig.
Deutlich harmonischer und zusammenhängender als "The Boxer" und "Hunter", dafür für mich auch etwas blass und mit wenigen großen Spitzen.

"First Impresions" ist sehr schön laidback und flowt sich gut als Opener ins Ohr.

"Closer" mit schöner Gitarrenmelodie und etwas härteren Rhythmen, für mich das klare Highlight des Albums. Schön (wie auf dem ganzen Album) die Frauen-Konterpart-Gesangselemente, verleiht dem Ganzen noch etwas meh Tiefe.

"Humour Me" ist dann wieder ein Stampfer, aber auch nicht mehr ganz so auf die 12 wie auf den vorangegangenen Sachen. Vielleicht etwas geschmackvoller, aber für mich auch etwas langweiliger. Ganz gut Bässe.

"Stay The Night" als schöner ruhiger Rausschmeißer. Auch nicht spektakulär, dafür halt ziemlich gut auf den Punkt produziert.

Nici

2014-11-05 19:49:44

Apropos Cover:

http://www.clashmusic.com/features/write-on-kele-okereke

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