July Talk - July Talk

Sleepless / Vertigo / Universal
VÖ: 19.09.2014
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Gewöhnlich ungewöhnlich

Ein Fallbeispiel: Sie, solide, eigentlich mehr so der "Planermensch", schnell mal wegen Kleinigkeiten gereizt, böse Zungen würden gar das böse Wort mit "Z" anführen. Er, genügsam, nicht sonderlich schnell aus der Fassung zu bringen, freiheitsliebend und die Begriffe Erwachsensein und Lebensplanung vor sich herschiebend, statt sich damit zu befassen. Kurzum: Rein objektiv passt es absolut nicht, doch irgendwie ist da eine Symbiose – irgendetwas, was die beiden Menschen zusammenhält. Okay, die häufig öffentlich ausgetragenen Szenen vermögen Außenstehende dann natürlich dennoch zu irritieren. Ähnlich verstörend wie die beschriebene Verbandelung zwischen solch ungleichen Polen nahm man auch den ersten musikalischen Vorboten dieses July-Talk-Debütalbums wahr.

"Paper girl", dieser Blues-angehauchte Indierocker, wird zunächst von Peter Dreimanis, der Er-Stimme dieser Band, dermaßen zerrieben, dass man meint, den legitimen Nachfolger von Joe Cocker in der Ohrleitung zu haben. Doch dann, kurz vor dem großen Refrain, piepst und haucht ihm auf einmal Leah Fey – genau, sein Pendant und gleichzeitig die zarte Sie-Stimme von July Talk – in die Parade. Das mag zunächst gar nicht passen, doch spätestens, wenn sich diese vokalistischen Gegenpole erst brav ergänzen, dann überlappen und verschmelzen und diese Hymne gemeinsam mit Inbrunst und Gefühl nach Hause tragen, ist das kurzweiliges Hörmuschel-Kino. Viele Zeilen über einen Song, der ist nicht mal der beste auf dieser Platte ist – aber der das Phänomen des Fünfers aus Toronto ganz gut auf den Punkt bringt.

Doch dieses Album, das in Kanada bereits 2013 (in anderer Songzusammensetzung) erschienen und dort unlängst ein Mega-Erfolg geworden ist und der Band Major-Deals rund um den Globus einheimste, hat gleich viele potenzielle Hits in petto. "Guns+ammunition" etwa, erste offizielle Single, trabt zunächst behutsam los, um dann mit Paukenschlag und Gitarrengewitter sowie Dreimanis‘ scharfen Reibeisen-Vocals als beinahe bedrohlich anmutender Killer zu enden. "Headsick" ist noch mal luftiger und damit beinahe ein College-Pop-Punk-Stück, für dessen Refrain viele der alten Genre-Veteranen Auftragskiller schicken würden – die sich schon in der knackig-trockenen Bluesrock-Wüste von "Someone" verlieren würden.

Der tanzbare Auftakt "The garden" dagegen trägt den Blues auf einem markanten Basslauf auf das klassische Motown- bzw. Rock'n'Roll-Parkett der 60er- und 70er-Jahre, bis er im Finale in sich selbst kumuliert. Abwechslungsreichtum klingt als Wort sicher langweiliger als die Silberhochzeit der ungeliebten Tante, aber genau so nennt man das – auch im mittleren Teil der Platte: Wo July Talk mit dem bluesigen "Gentleman" zum ersten Mal durchschnaufen. Aber eher nur, um vor dem melancholischen "Don't call home" ihren Über-Hit "Summer dress" zu positionieren: Mit Basswummern und klassischen Bluesriffs startend, steigert sich der Song über tiefe, drückende Gitarren und natürlich mit Hilfe des abermals tollen Dreimanis- und Feyschen Stimmen-Battle zur euphorischen Tanzflächen-Hymne.

Vordergründig ist dieses Debüt eine herzliche, eingängig-energische und harmlose Indie-Platte für den Spätsommer. Ähnlich wie eingangs erwähnte Menschen, die ihre Spannung, die die Langlebigkeit in der Beziehung aus scheinbar offensichtlich strukturierten Gegensätzen schaffen, erbauen July Talk ihre Songs aus ganz gewöhnlichen Zutaten – doch diese Band schlägt mit Bass, Gitarre, Schlagzeug und Synthies eben unverhoffte Haken, legt derart viele Ideen vor und Spielfreude an den Tag, dass wir diese 8/10 Wertungspunkte mit einem Ausrufzeichen versehen möchten. Vielleicht sogar für länger. So verrückt dieses fast oxymoronisch anmutende Urteil auch klingen mag: "July Talk" bringt dem Jahr 2014 eigenständigen, hervorragenden Indierock. Und das ist ihnen nicht hoch genug anzurechnen.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Guns+ammunition
  • Paper girl
  • Headsick
  • Summer dress
  • Don't call home

Tracklist

  1. The garden
  2. Guns+ammuinition
  3. Paper girl
  4. Headsick
  5. Gentleman
  6. Blood+honey
  7. Summer dress
  8. Don't call home
  9. Uninvited
  10. Someone
  11. Let her know
  12. I've rationed well
Gesamtspielzeit: 37:20 min

Im Forum kommentieren

Armin

2016-06-14 18:00:57

July Talk touren wieder in Deutschland

Beherzt und vertraut, wild und konfrontativ: July Talk machen Rock’n’Roll, der es in sich hat und sorgen für Live-Shows, die keiner so schnell vergisst. Im September tourt die kanadische Alternative Blues-Rock Band wieder durch Deutschland. Peter, Leah, Ian, Josh und Danny spielen dann in sechs Städten unter anderem die Songs ihres neuen Albums ,Touch’ (VÖ 09.09. Vertigo/Capitol).

July Talk sind bekannt für ihre extremen Kontraste von Gefühl und Struktur, Stimmung und Klang. Die markante, raue Stimme von Peter findet in Leah’s zartem Gesang den perfekten Gegenpart. Und auch auf der Bühne funktioniert das Spiel mit den Gegensätzen tadellos. Einem musikalischen Hurricane gleich sorgen July Talk live für verspielte Spontaneität, rastlose Energie und bestechenden Charme.

Nach ihrem selbstbetitelten Debüt im Jahr 2014 folgt mit dem zweiten Album ,Touch’ eine eindrucksvolle Kollektion emotionaler, mitreißender Songs über menschliche Beziehungen. “Leah and I started to see human touch as this pure thing—this antidote to a world that had become obsessed with mirrors and screens.”, erklärt Peter Dreimanis.

Tickets für die Tour im Herbst sind ab sofort unter fourartists.com erhältlich.

July Talk 2016
präsentiert von: ByteFM | motor.de | MusikBlog

17.09.2016 Münster | Gleis 22
19.09.2016 Berlin | Lido
20.09.2016 München | Strom
21.09.2016 Wiesbaden | Schlachthof
22.09.2016 Köln | Underground
21.-24.09.2016 Hamburg | Reeperbahn Festival

Der Untergeher

2016-01-17 14:50:19

Sehr schöne Live-Performance von "I've rationed well" mit ansprechender visueller Gestaltung, die zum Song passt:
https://www.youtube.com/watch?v=e81bl5L0yW4

eric

2015-03-18 14:24:48

Sagte ich doch. ;) Hab's letzten Sommer andauernd gehört. Vor allem "Guns + ammunition", "Headsick", "Summer dress" und "Let her know"...gerade (noch) Hörpause.

Logrus

2015-03-18 13:51:59

Ist ein gutes Album. Vor Allem die Kombination der beiden Stimmen und die Art und Weise, wie sich die Beiden beim Gesang anzicken, macht sie recht originell.

Cosmig Egg

2015-03-18 12:44:05

eben erst entdeckt. Super Gute-Laune-Pladde

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