Earth - Primitive and deadly

Southern Lord / Soulfood
VÖ: 12.09.2014
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Schmerzzerreißend

Earth muss man nicht hören. Earth muss man fühlen. Egal, ob das radikale Frühwerk oder das deutlich songorientiertere Material der zweiten Inkarnation der Band um Dylan Carlson aus den Lautsprechern fließt: Die Musik gleicht stets einer Naturgewalt. Das sinnig betitelte, mittlerweile achte Earth-Album "Primitive and deadly" bildet da keine Ausnahme. Doch nicht alles ist wie zuletzt: Es lärmt und dröhnt wieder. Und zwar derart voluminös und brachial, dass Erinnerungen an die Urväter des Doom, Black Sabbath, wach werden. Bereits die ersten Töne des Eröffnungstracks "Torn by the fox of the crescent moon" machen unmissverständlich klar, wohin die Reise geht. Bleierne Riffschleifen, monoton und mächtig. Eine Dampfwalze ist ein Kinderspielzeug dagegen. Und Earth wären nicht Earth, wenn sie die scheinbar endlose Wiederholung desselben Motivs nicht bis zum Letzten auskosten würden. Das kann man ermüdend finden. Oder aber schmerzzerreißend.

Die eigentliche Überraschung folgt jedoch in "There is a serpent coming": Gesang! Unglaublich, aber wahrhaftig da. Von keinem Geringeren als der grummelnden Zigarettenvernichtungsfabrik Mark Lanegan. Das bluesig-rauhe Organ des ehemaligen Frontmannes der Screaming Trees fügt sich hervorragend in den dichten Klangeppich, den die Band webt, ein. Rezitativ ist Lanegans Gesang, beschwörend gar, jedoch nie aufdringlich oder störend. Hierfür sorgen die wundervoll dahinschwebenden Feedbacks, die dem Song Fülle und Kraft verleihen, ohne die Vocals zu übertünchen. Noch besser, noch überraschender ist indessen das über elf Minuten währende "From the zodiacal light" mit Rose-Windows-Sängerin Rabia Shaheen Qazi am Mikrofon. Der Song nimmt sich nicht nur alle Zeit der Welt, er dehnt und verformt die Wahrnehmung derselben. Quazis Stimme verleiht dem um ein schleichendes Arpeggio kreisenden Lied eine psychedelische Note. Besonders toll: Die in der zweiten Hälfte in den Vordergrund tröpfelnden Obertonspielereien Carlsons.

Dass der Mann, der in den Neunzigern beinahe dem Heroin zum Opfer gefallen wäre, nicht nur bei bester Gesundheit, sondern im Reinen mit sich und seinem Instrument ist, unterstreicht "Even hell has its heroes". Carlson tritt hier in den musikalischen Dialog mit Brett Netson von Built To Spill und Narrows-Gitarristen Jodie Cox. Licks werden hin- und hergereicht, es wird soliert und sogar ein bisschen gegniedelt. Im Hintergrund mäandert derweil ein bluesiges Ungetüm, das von Minute zu Minute größer zu werden scheint. Die countryesken Elemente, die schon die meisten Releases der zweiten Earth-Phase geprägt hatten, treten auch hier deutlich ans Licht. Immer lauter, immer raumgreifender wird der Grundton, um den das Stück kreist. Jeder neue Takt gleicht einem Hammerschlag. Zum Ende hin wird aus dem Mahlen ein Tosen, bis alles in monolithischer Schönheit erstarrt.

Das finale "Rooks across the gates" vereint schließlich die prägenden Elemente des Albums in kompakter Form: Waidwunde Leadgitarren, endlos ausklingende Akkorde und minimalistisches Drumming finden auf beeindruckende Weise zusammen. Auch Mark Lanegan tritt noch einmal aus dem Schatten und darf schamanisch den Mond anmurmeln. Währenddessen löst sich die Komposition sukzessive in ihre Bestandteile auf, bis nichts als ein freischwebender Drone übrigbleibt. Bei allem Bombast bleibt die Musik jedoch erstaunlich durchlässig und rhythmisch akzentuiert. Mit "Primitive and deadly" haben Earth sich im 25. Jahr seit der Gründung also tatsächlich ein weiteres Mal neu erfunden. Und auch, wenn wahre Schönheit von innen kommen mag, soll das herrliche Cover nicht unerwähnt bleiben: So geht morbides Artwork, liebe Todesfürsten der metallischen Finsternis. Ganz ohne Teufel und Theatralik.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Torn by the fox of the crescent moon
  • From the zodiacal light
  • Even hell has its heroes

Tracklist

  1. Torn by the fox of the crescent moon
  2. There is a serpent coming
  3. From the zodiacal light
  4. Even hell has its heroes
  5. Rooks across the gates
Gesamtspielzeit: 47:11 min

Im Forum kommentieren

Fu Manchu

2015-03-21 11:44:34

Saugeiles Album. Lanegan soll ein Schwachpunkt sein? Seids ihr noch bei Trost? Der passt wie die Faust aufs Auge, eig müsste Earth öfter mit ihm zusammenarbeiten.

Greylight

2014-10-05 01:30:01

Ich mag die Band insgesamt zwar sehr, aber ehrlich gesagt erinnern mich viele der Grundharmonien auf diesem Album stark an Altbekanntes von der Band. Der erste Song verspricht ja erstmal Neues, doch ab dann klingt das Album für mich eigentlich doch stark nach einer erweiterten Version von insbesondere "The Bees Made Honey... " Da gab es auf früheren Alben wie Pentastar doch etwas mehr Variation. Soweit mein erster Eindruck. Oder wie auf Thrones And Dominions, wo man dann einfach mal ein 12-minütiges weißes Rauschen einstreut. Diesen Mut vermisse ich ein bißchen auf den neueren Alben.

Z. B. die Master Musicians Of Bukkake zeigen auf dem Album "Far West" wie man auch mantraartige, hypnotische Musik machen kann und doch jedes Stück wieder ganz anders ist.

Walenta

2014-09-05 18:55:49

OT, aber: die neue Pallbearer find ich von den Songs her nicht ganz so stark wie die erste, dafür ist das ganze Drumherum (Produktion, Gesang,...) nochmal ne ganze Ecke besser geworden. Wie das Debut ne 9/10.

Christopher

2014-09-05 18:53:24

Pallbearer und Earth befinden sich bei mir schon seit Eintreffen der Promos in Dauerrotation. Mehr dazu dann in Bälde.

Walenta

2014-09-05 18:39:48

" mit seinen psychedelischen Gitarrenabfahrten hätte ich mir von Carlson so auch nicht erwartet"

--> liegt vielleicht an Brett Nelson und Jodie Cox, die der Band imo extrem gut tun, neben der Aufmerksamkeit die die Mikro-Gäste bekommen in der allgemeinen Wahrnehmung aber beinahe unterzugehen scheinen. ;-)

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