FKA Twigs - LP1

Young Turks / XL / Beggars / Indigo
VÖ: 08.08.2014
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Believe the hype

"Don't believe the hype", eine Formel, die sich in der Musikwelt aufrecht hält, seit diese "Pop" sagen kann. In Falle von FKA Twigs ist sie allerdings nicht zu gebrauchen. Schon mit ihren beiden schlicht durchnummerierten EPs "EP1" und "EP2" sorgte die einstmalige Tänzerin Tahliah Barnett für Wirbel unter Pitchfork-Jüngern. FKA steht für die Formel "Formerly Known As". Barnett musste ihren aus Kindheitstagen stammenden Spitznamen Twigs ändern, nachdem sich eine andere Sängerin gleichen Namens beschwert hatte. Twigs, zu Deutsch "Zweige", wurde Barnett deshalb genannt, weil sie ihre Knochen wie dünne Äste knacken lassen kann.

Ihr Debütalbum "LP1" beginnt unerwartet, choral und erhaben: Die Sängerin ertönt als ihr eigener Kirchenchor in einem Meer von Gewölbehall, verschwurbelt mit Rap und einem durchschimmernden Beat. Sobald alles richtig anfängt, hört es auch schon auf. Nicht gerade ein gewöhnliches Intro für eine Pop-Platte. "Mut zur Lücke" ist eine vielleicht trefferende Formel für das Album, denn die Produktion zeigt sich angenehm luftig und reduziert an den richtigen Stellen. Hauptaugenmerk ist eindeutig der ätherisch divenhafte Schmachtgesang Barnetts.

Die Frau weiß wie man leidet, fühlt sich in der Isolation zuhause ("Closer") und überträgt das Gefühl ohne vorgeschalteten Filter auf den Hörer. Zerbrechlich und souverän zugleich ist ihr Wispern und wird dabei bis ins Körperlose bearbeitet mit dem ganzen Farbkasten der Digitaleffekte. Angepeitscht wird sie durch knallende Snaredrums, klackernde Trap-Hi-Hats und stolpernde Glitch-Beats, die aus renommiertesten Produzentenhänden stammen, wie Arca, der u.a. für Kanye West arbeitete, Devonté Hynes, Clams Casino, Paul Epworth (Adele, Coldplay, The Rapture), Grammy-Gewinner Emile Haynie und Sampha, der den portisheadigen Neuentwurf eines zeitgenäßen Triphop-Tracks in Form von "Numbers" beisteuerte.

Inhaltlich überwiegt ein Thema: Eine enttäuschte, benutzte und betrogene Frau, die nicht versteht, warum sie verlassen wurde oder weshalb ihr Mann sich nicht mehr für sie interessiert. Liebe und Sex sind der bestimmende Tenor aller Texte. Sicherlich ist es keine lyrische Hochleistung, wenn Barnett in "Lights on", fast schon gezwungen reimt "If the flame gets blown out and you shine / I will know that you cannot be mine". Doch schafft sie es in "Two weeks" die gnadenlose Verzweiflung in einer Textzeile auf den Punkt zu bringen: "I can fuck you so much better! / You say you want me."

Das Zeitlupengefühl und Entzerrung sind teils so stark, dass der Hörer taktelang im Nichts des Äthers gelassen wird, schon fast in der Stille zu ersticken droht, da holt ihn Barnetts Schmerz wieder auf die Welt zurück. Dabei tanzt sich Barnett durch einen bunten Nachtregen der Referenzen: stehen gesanglich 90er-Diven wie Aaliyah, Janet Jackson und Björk Pate, erinnert die Dringlichkeit der Stimme und die reduzierte Produktion an Post-Dubstep à la James Blake, die Intimität an Bands wie The xx und die avancierte Produktion an Massive Attack.

Dabei ist FKA Twigs den anderen kontemporären R'n'B-Reformern Banks, Sohn oder Chet Faker einen Schritt voraus. Statt sich mit dem Erbe des Genres aufzuhalten, entwirft die charismatische Sängerin lieber ihr eigenes düsteres Bild davon. Egal, mit welchem Präfix es nun letztlich zu versehen ist.

(Konstantin Maier)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Two weeks
  • Video girl
  • Numbers

Tracklist

  1. Preface
  2. Lights on
  3. Two weeks
  4. Hours
  5. Pendulum
  6. Video girl
  7. Numbers
  8. Closer
  9. Give up
  10. Kicks
Gesamtspielzeit: 41:01 min

Im Forum kommentieren

MopedTobias (Marvin)

2020-04-20 10:50:10

"Two weeks" ist immer noch der Wahnsinn.

edegeiler

2020-04-20 09:31:54

Platz 77:

FKA Twigs - LP 1

Rhythmisch anspruchsvolle und verhallte Instrumentals werden mit gehauchten Gesang garniert. Heraus kommt im Wesentlichen Sexmusik für Intellektuelle, aber das braucht es ja auch. 8/10

Edrol

2019-09-13 14:01:23

Klasse Album, obwohl ich es die ersten Tage nach Erscheinen extrem mühsam fand - aber eben doch reizvoll genug es weiter zu versuchen. Und irgendwann fand ich die Platte nur mehr überwältigend. Mit "Two Weeks" ist ein wahrer Übersong drauf.

Preface: 8
Lights On: 9
Two Weeks: 10
Hours: 8
Pendulum: 8
Video Girl: 10
Number: 9
Closer: 9
Give Up: 9
Kicks: 9

Sehr gute 9/10 und klar in meinen Top 10 der 10er-Jahre.

Mr Right

2019-05-01 05:23:28

Musik muss man hören UND sehen!!!111einself

saihttam

2019-05-01 01:07:05

Interessanter Song! Viel karger als erwartet, dennoch kommt die für ihre Songs typische Spannung auf. Freue mich auf jeden Fall auf ein neues Album.

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