
Opeth - Pale communion
Roadrunner / WarnerVÖ: 22.08.2014
Grenzenlos
Da haben Opeth ihrer Anhängerschaft ja mal so richtig einen Tritt gegen das Schienbein verpasst. 2011 kümmerten sich die Schweden einen Dreck um die Erwartungshaltung von Kritikern und Fans und legten mit "Heritage" ein Album vor, das mit sämtlichen vermeintlichen Traditionen der Band nicht nur brach, sondern sie zerknüllte und in den Mülleimer stopfte. Die Death-Metal-Wurzeln? Nicht einmal mehr im Ansatz vorhanden. Stattdessen Prog-Sounds und Vintage-Klänge gepaart mit einer erdigen Produktion, die in ihrer Radikalität bis dato wohl nur selten vorkam. Das Resultat war absehbar – während die einen eben diesen radikalen Stilbruch feierten, konnten die anderen so gar nichts damit anfangen und forderten alsbald eine Rückkehr zu dem Stil, mit dem Alben wie "Ghost reveries" oder "Watershed" zu solch grandiosen Meisterwerken wurden.
Eigentlich jedoch dürfte klar sein, dass Bandchef Mikael Åkerfeldt externe Meinungen allenfalls von Intimus Steven Wilson akzeptiert. Und so wird das neue Album "Pale communion" selbstverständlich nicht von einem Todesblei-Urschrei eingeleitet, sondern von beinahe schon jazzigen Artrock-Klängen. Die Überraschung darüber hält allerdings nur so lange, bis man daran denkt, dass gerade bei diesem "Eternal rains will come" eben jener Wilson die Regler bediente – bekanntermaßen ein Verehrer von King Crimson, die diese Art Sound einst perfektioniert hatten. Definitiv beeindruckend jedoch ist bereits nach wenigen Minuten der Klang der Platte, der das warme Siebziger-Gefühl des Vorgängeralbums nach wie vor forciert, dabei aber viel luftiger wirkt als noch vor drei Jahren.
Nicht nur beeindruckend, sondern schlicht zum Niederknien großartig ist das folgende "Cusp of eternity". Ein stoisch stampfender Takt, zu so einfachen wie effizienten Riffs, darüber ein orientalischer Melodiebogen – das ist schlicht und ergreifend Weltklasse, nimmt gefangen, reißt mit. Nicht weniger sensationell ist das folgende "Moon above, sun below", ein knapp elf Minuten kurzes Meisterwerk, das von progressiven Frickeleien über mehrstimmige Gesangspassagen bis hin zu einem bösartig düsteren, an Zeiten von "Damnation" erinnernden Spannungsbogen wirklich alles bietet, was das Herz begehrt und das Genre ausmacht. Wobei es eigentlich unfair ist, einzelne Songs herauszuheben. Denn ob nun das leichtfüßig perlende und doch tieftraurige "Elysian woes", das bisweilen absurd-flippige Instrumental "Goblin" oder "River", mit dem Opeth jegliche Genre-Grenzen ad absurdum führen – jeder einzelne Song hätte auf früheren Alben zum Highlight gereicht.
Wenn es vor drei Jahren abseits der stilistischen Radikalkur einen Kritikpunkt an "Heritage" geben mochte, dann war es der Umstand, dass hin und wieder vereinzelte Songideen nicht ganz zu Ende geführt wurden, so als hätte Mikael Åkerfeldt beim Schreiben der Mut verlassen. Mit "Pale communion" hingegen haben sich die Schweden in ihrer gewiss nicht schwachen Diskographie selbst übertroffen. Åkerfeldt ist es sicher lich auch dank der Unterstützung von Steven Wilson gelungen, die zahlreichen Ideen und Einflüsse zu einem nahezu perfekten, zu jeder Sekunde hochspannenden Gesamtkunstwerk zu verflechten. Metal ist das schon längst nicht mehr, diese Grenze ist für Opeth schon längst zu eng. Die Death-Metal-Fundamentalisten unter den langjährigen Fans werden sicherlich endgültigt beleidigt von dannen ziehen. Alle anderen erwartet ein prächtiges Album, ein bewegendes Opus, schlicht: ganz große Kunst.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Cusp of eternity
- Moon above, sun below
- Voice of treason
Tracklist
- Eternal rains will come
- Cusp of eternity
- Moon above, sun below
- Elysian woes
- Goblin
- River
- Voice of treason
- Faith in others
Im Forum kommentieren
Klaus
2025-01-14 16:55:30
Höre mich gerade ein wenig durch/frische auf. Damals in der eigenen Rezi eine 8/10 vergeben, bei Opeth in der Masse der VÖ verblasst vieles/ Zuordnung fehlt.
jedenfalls: Sehr starkes Album. 8-8,5 (falls Kommastellen erlaubt) sind hier absolut drin.
Felix H
2023-11-18 17:46:04
Wohl das beste im "neuen" Stil (wobei ich "In cauda venenum" noch nicht so konzentriert gehört habe). Aber ja, auch ein ganzes Stück unter dem, was früher kam.
The MACHINA of God
2023-11-18 15:43:41
Bisschen knackiger als der Vorgänger, aber so richtig ist das auch nix für mich.
anfangs ne 6
2016-09-28 17:07:20
hat sich auf 8/10 gesteigert.
hos
2016-03-09 17:00:35
zu perihelionship, bzw
"aber das bisher Gehörte klingt großartig und ist ein vollwertiger Ersatz."
nee, manfredson, da bin ich überhaupt nicht bei dir.
nix gegen den wunsch einer band, den alten opeth sound weiterzuführen, ist ja tatsächlich nicht so unwünschenswert. aber hier wird nix weitergeführt, sondern letztlich nur wiederholt (mit ein bisserl keyboard sauce). unterm strich bleibt die unüberhörbare tendenz zur plagiatur. find ich schlimm sowas, da ists mir dann auch völlig egal, ob das vielleicht gut klingt. da leg ich mir dann doch lieber das original auf - wegen der vollwertigkeit.
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