The Gaslight Anthem - Get hurt

Mercury / Universal
VÖ: 08.08.2014
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Unterwassermusik

"Great expectations, we had the greatest expectations." Ja, die Erwartungen an The Gaslight Anthem waren groß, spätestens nach ihrem 2008er Erfolgsalbum "The 59' sound". Dieser frische, unbedarft-hymnische Indie-Punkrock-Sound im Dämmerlicht, mit Brian Fallons völlig unüberzogener und doch so feierlicher Stimme: Es war wie die Niederkunft einer unbefleckten Empfängnis der Väter Strummer und Springsteen, meinte so mancher. Das Eingangszitat stammt vom Opener des genannten Zweitwerks der vier aus New Brunswick, eröffnet sozusagen den Hype. Nach "The 59' sound" aber gings bergab. Stetig. Während "American slang" noch glänzte, war "Handwritten" nicht mehr als ein Achtungserfolg. Mit "Get hurt" wird das Absehbare Realität.

Das Cover der Neuveröffentlichung ziert ein auf seine Rundungen gestelltes Herz – Kreuze dreht Kreationist und Gutmensch Fallon ganz sicher nicht um. Dabei eröffnet "Get hurt" mit einem Aufruf zur Boshaftigkeit: "Stay vicious" wartet mit Krawallgitarren und verzerrter Singstimme auf, bringt eine ungewohnte Härte und mit dieser ein gutes Stück Beliebigkeit ins Spiel. Der Chorus kontert "la-la-la-la" und versucht sich an der Rückkehr zum Bedeutungsschwer-Lebensmutigen, was The Gaslight Anthem früher so gut auszudrücken vermochten, versandet aber immer wieder in der aufgeheizten Gesamtstimmung des Stücks. Eine böse Vorahnung drückt dem Hörer schon nach einem Song aufs Gemüt. "Underneath the ground" ist ein ganz schön seltsames Ding. The Gaslight Anthem verwenden Autotune – mindestens ein Skandälchen ist das schon wert. Das Stück vermeidet jegliche Rock-Assoziationen, hangelt sich stattdessen an krummen Synthie- und Vibraphon-Tönen entlang, der Refrain wird gesprochen vorgetragen und mehrstimmig untermalt.

"Helter skeleton" trifft – abgesehen vom missglückten Wortspiel – den Punkt wesentlich besser, zumindest, was die eigentliche Genrezugehörigkeit der Gruppe angeht. Der bluesige Grundtenor des Stücks aber verschwimmt in übersteuerten Gitarren in den lauteren und übermütigen Pickings in den leiseren Parts. So geht es dann weiter, denn derart plakativ rockig wie "Rollin' and tumblin'" einsteigt, könnte auch Brian Johnsons Kreischstimme dem Eingangsriff folgen. Die dicken Gitarren weichen nicht mehr von Fallons Seite, es scheint wie ein missglückter Rückzug zu den Wurzeln: Die Angst davor, zum Stadionrocker zu werden, führt dazu, dass die Stücke zu stark konstruiert werden und letztlich Gegenteiliges als das Erhoffte bewirken. "Dark places" schlägt in die gleiche Kerbe. Es fehlt der Schmiss früherer Tage, also wird er kurzerhand mit Rock-Pomp überspielt.

Ein Lichtblick ist das akustisch eingeführte "Break your heart", einer Ballade, die Fallons Stimme mitunter von ihrer Geradlinigkeit abweichen lässt und so etwas wirklich Neues wagt. "If I played you my favourite songs / Lying here in the dark / It would break your heart", heißt es da. Klar ist das kitschig, aber die Zeile ist beißend wie bitter-süß und trifft an der richtigen Stelle. Der Titelsong "Get hurt" kommt aus dem Düsteren empor, lässt zwischenzeitlich ein Piano im Breakbeat Stellung beziehen und versammelt zu Fallons gesanglicher Unterstützung einen wiederholenden Chor, der den Kitsch schließlich auf die Spitze treibt.

Stichwort "Kitsch": Überproportional fühlend präsentierten sich The Gaslight Anthem seit jeher, einerseits war es aber immer dieser voranschreitende Leuchtpunkt und Lichtblick, der zu fesseln wusste, andererseits kaufte man dem Quartett die ausgedrückte Emotion auch ab. The Gaslight Anthem schienen wie ein paar schlitzohrige Vorstadtkids mit guten Anlagen und dem Herzen am rechten Fleck, die in einer verwirrten Schattengesellschaft ihren Weg schon machen würden, indem sie das Gute hochhalten und sich ihrer verpesteten Umwelt entgegenstellen. Nunmehr aber scheinen sie abgetaucht in alledem, was sie einst negierten, haben mit "Get hurt" die eigene Verletzbarkeit offenbar akzeptiert. Um es mit ihren eigenen Worten zu sagen: "Sink or swim" – so hieß der Erstling der Truppe – die Puste ist raus, man kann sich nicht mehr über Wasser halten.

(Pascal Bremmer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Break your heart

Tracklist

  1. Stay vicious
  2. 1000 years
  3. Get hurt
  4. Stray paper
  5. Helter skeleton
  6. Underneath the ground
  7. Rollin' and tumblin'
  8. Red violins
  9. Selected poems
  10. Ain't that a shame
  11. Break your heart
  12. Dark places
Gesamtspielzeit: 41:09 min

Im Forum kommentieren

seabird

2014-09-25 21:52:19

Highlights:
03 - Get Hurt
08 - Red Violins
12 - Dark Places
( 09 - Selected Poems )

Gesamt: 7 / 10

kurzes Fazit:
ist vllt. musikalisch nicht das allerhöchste Niveau, aber reißt einiges durch seinen Spaßfaktor raus
ich mag das Album einfach für seine Einfachheit

Theodizee

2014-09-01 12:23:11

www.martin-neukamm.de/kreation.pdf

The MACHINA of God

2014-08-31 20:06:41

Die Blog-Rezi ist allerdings recht fürchterlich geschrieben. Geht beim "Ich" los und führt die Linie mit komischem Spachrhythmus und teils eigenartigen Formulierungen fort.

The MACHINA of God

2014-08-31 20:02:10

"so the only thing they truly nailed on Get Hurt was the album cover: an inverted heart that just ends up looking like a cartoon ass."

:D

Yersinia

2014-08-29 23:10:38

Ich versuche es wirklich. Mit allem was ich mental leisten kann, aber es klappt nicht. Auch TGA stribt den typischen Tod. Erstes (richtiges) Album: Eine Offenbarung - Ab da bergab. "Handwritten" hat mir noch gefallen, weil es zu einem großen Teil gutes Songwriting und mittelmäßige Texte enthielt. Auf "Get Hurt" ist alles unterirdisch. Und das meine ich leider so wie ich es schreibe. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: TGA ist am Ende oder sie schaffen nochmal den Phoenix aus der Asche mit einem --GRANDIOSEN-- Nachfolger.

Schade.

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