WIZO - Punk gibt's nicht umsonst! (Teil III)

Hulk Räckorz / SPV
VÖ: 18.07.2014
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Zombieband

"Wir war'n nicht immer gut zu Euch. Das wissen wir jetzt." Ziemlich genau so formulierte es einstmals Axel Kurth, seines Zeichens Front-Rampensau der Band WIZO und – man kann nicht oft genug darauf herumreiten – Mitverantwortlicher des Jamba-Schnuffelhasen vor zehn Jahren. Anlass war der letzte Song, den diese Band jemals auf einer Bühne spielen sollte. Noch einmal "Die letzte Sau" rausfeiern und gut ist. Dachte man. Doch wie das eben so ist, kommt's erstens anders und zweitens, als man denkt. Schließlich geschah vor ein paar Jahren das scheinbar Unvermeidliche: WIZO verließen ihr Grab mit einigem Tamtam, kündigten vollmundig eine neue Platte an, verschoben selbige in altbekannter Manier ein paar Mal, spielten ein wenig mit der Besetzung rum und waren zuletzt dann auch wieder ziemlich weg vom Fenster. Ach ja, ein paar Konzerte wurden auch gespielt. Auf denen ein Song wie "Kopfschuss" für die Vorstellung der Band und call-and-response-Spinnereien herhalten musste. Der frühere Fan versankt ob derlei Kasperletheater im Gram und ein gewisser Herr Gallagher hätte konstatiert: "You are not fucking Green Day."

Damit hätte man diesen doch recht armseligen Reunion-Versuch auch als Randnotiz abhaken können. Doch dann kam dieser Freitag, dieser 13. Juni 2014. Seit diesem Tag konnte man das neue Album von WIZO bei YouTube anhören, an das eigentlich schon niemand mehr geglaubt hatte. Und nun haben wir mit "Punk gibt's nicht umsonst! (Teil III)" den Salat. Im wahrsten Sinne des Wortes übrigens – zumindest, blickt man ein wenig über die Entstehungsdaten und Namen der an den Songs Beteiligten. Man hat es hier nicht mit einem Album im eigentlichen Sinne zu tun, sondern mit einem Flickwerk sondergleichen: neue Texte, alte Texte, alte Melodien, neue Melodien, mal als vollwertige Band eingespielt, mal mit Hilfe des Drumcomputers, mal von der einzigen Konstante Kurth alleine zusammengezimmert. Extrembeispiel gefällig? Die Musik zu "Zombiemann" wurde 1988 geschrieben. In Worten: Neunzehnhundertachtundachtzig!

So kommt es, dass zwischen den einzelnen Songs von "Punk gibt's nicht umsonst! (Teil III)" schon mal Jahrzehnte liegen und so ganz nebenbei erwähnt natürlich niemals das Gefühl aufkommt, ein richtiges Album zu hören. Umso beachtlicher ist es daher, dass es keine 20 Sekunden braucht, um den Opener "Seegurke" ganz eindeutig als WIZO-Song auszumachen. Die Nummer könnte ohne Probleme auch vom Bandklassiker "UUAARRGH!" stammen. Und das darf durchaus als Kompliment verstanden werden. In den starken Momenten dieses neuen Machwerks laufen WIZO nämlich tatsächlich zu einer Form auf, die ihnen wohl auch der gutgläubigste Dorfpunk nicht mehr zugetraut hätte. "Seegurke", "Kohlenholen", "Ganz klar gegen Nazis" und nicht zuletzt der "Gemein"-Reload "Kriminell & asozial" machen unheimlich Spaß und lassen einen mit verklärtem Blick von alten Zeiten schwadronieren. Und auch Stücke wie das akustische "Meine Wut" oder das rasante "Dummensch" sortieren sich ganz klar auf der guten Seite ein.

Das Problem ist aber, dass es eben auch eine ziemlich schlechte Seite gibt. Und zwar das komplette Material, das nach dem erwähnten "Dummensch" noch so kommt. Die letzten fünf Songs sind nämlich – um es im Bandjargon zu sagen – für'n Arsch. Auch Nummern wie "Scheißefresser" und "Scheißekotzen" hätte man sich getrost sparen können. Aber da WIZO auch auf ihren besten Alben zwischendurch ziemlichen Rotz untergebracht haben, dürfte das niemanden unvorbereitet treffen. Dass mit "Königin" die schönste Melodieführung und beste Produktion an einen Text über Oralsex verschwendet werden, ist aber dann doch beinahe tragisch. Was am Ende von "Punk gibt's nicht umsonst! (Teil III)" bleibt, ist die Erkenntnis, dass es die – pardon – alten Säcke durchaus noch können. Tiefgang und Witz aus älteren Tagen aber sind über weite Strecken verflogen. Da kann sich "Unpoliddisch" noch so humorvoll mit dem Grauzonen-Sumpf auseinandersetzen – die besten Momente dieser Band, oder vielmehr des Axel Kurth, sie sind lange vorbei. Und dennoch kann sich dieser Band gewordene Zombie durchaus sehen lassen. Schaut auf der Bühne vielleicht ein bisschen komisch aus, ist aber immer noch ein Ohr wert. Und hey: Das hätte man vor ein paar Monaten so nicht für möglich gehalten.

(Martin Smeets)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Seegurke
  • Ganz klar gegen Nazis
  • Kriminell & asozial

Tracklist

  1. Seegurke
  2. Scheißefresser
  3. Kohlenholen
  4. Ganz klar gegen Nazis
  5. Scheißekotzen
  6. Kriminell & asozial
  7. Kein Empfang
  8. Alles verschwimmt
  9. Königin
  10. Unpoliddisch
  11. Zombiemann
  12. Endzweit
  13. Meine Wut
  14. Pinöpel
  15. Dummensch
  16. Wenn ich mal sterb'
  17. Erwin
  18. Wie soll's gehen
  19. Pförtner
  20. Schlechte Zeit
  21. Alte Herren
Gesamtspielzeit: 65:10 min

Im Forum kommentieren

Der die das 123

2017-09-07 22:44:01

Haben Frei.Wild nicht früher Lieder von denen gecovert?

Rezi - na

2014-07-31 10:38:20

Rezi gut nur nicht ganz ehrlich und zu wohlwollend, Album doof, Band doof, braucht kein Mensch

krasser Punk von der Universität

2014-07-25 17:04:45

STARK!!!

MartinS

2014-07-25 13:42:54

Hm, da hab ich ehrlich gesagt gar nicht mal so genau drüber nachgedacht. Ist notiert.

Zur Platte/Wertung:

Ich hab während des Schreibens x-mal zwischen 5 und 6 gewechselt, schlussendlich geben aber so grobe Schnitzer, wie "Scheißekotzen" oder "Kein Empfang" doch den Ausschlag zur 5.
Hätte man sich ein paar Stücke einfach gespart, wär's ein wesentlich stärkeres (obacht!) Werk geworden.

encarnizado

2014-07-25 12:37:13

aber krass, 'machwerk' habe ich neutral konnotiert öfters schon in rezis gelesen und mich gefragt ob ich der einzige bin, der es auch eher abwertend benutzt

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