Honeyblood - Honeyblood

Fat Cat / Al!ve
VÖ: 18.07.2014
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 10/10
10/10

Saus und Braus

Das Badezimmer gilt in der Popmusik gemeinhin als unglamourös und wenig sexy. Vollkommen zu Unrecht, versteht sich. Was wäre schließlich "Room on fire" von den Strokes ohne "Meet me in the bathroom" oder gar Deftones' "White pony" ohne "Digital bath"? Ganz zu schweigen von der nicht wegzudenkenden Dusche im Vorfeld eines jeden Updates auf Plattentests.de. Selbst der Hall auf der Stimme von Blonde-Redhead-Sängerin Kazu Makino bei ihrem Gastauftritt im Trentemøller-Stück "Come undone" war den akustischen Gegebenheiten ihrer New Yorker Nasszelle zu verdanken. Immerhin wissen Honeyblood aus Glasgow um die Bedeutung der vernachlässigten Räumlichkeit: "Einer der Songs entstand, als ich unter der Dusche sang", berichtet Gitarristin Stina Tweeddale. Beste Voraussetzungen für ein Album in Saus und Braus.

Und da das erste Demo der beiden gemäß eigenen Angaben wie "a jam in a bathroom" klang, musste fürs Debüt ein Bademeister her – auch Produzent genannt. Mit Peter Katis war schnell ein geeigneter Kandidat gefunden, denn dem Amerikaner fehlte nach Interpol, The National und dem halben Inventar von Fat Cat Records noch ein nettes Girl-Duo in der Sammlung. Das zudem mehr als ein Wörtchen mitzureden gehabt haben dürfte – nicht umsonst nehmen Tweeddale und Schlagzeugerin Shona McVicar in Songs wie dem zerrenden Shuffle "Super rat" kein Blatt vor den Mund, wenn es zunächst heißt "You're the smartest rat in the sewer", dann jedoch "I will hate you forever" – worauf eine großzügige Anzahl Schimpfwörter folgt. Diese Ladies wissen, was sie nicht wollen.

Das klingt nach maximaler Zickigkeit und tiefsten emotionalen Sümpfen, ist aber genauso geprägt von purer Verführungskunst und zielsicherem Spiel mit den bittersüßesten Momenten aus Sixties, Indie-Surf, Dreampop und punkigem Garagenrock. Schon die weich zerbröselnden Riffwände des Openers "Fall forever" dulden ein Weghören ebenso wenig wie die Single "Bud" oder der lockere Twee-Rumpler "Joey", der auch The Concretes Mitte der nuller Jahre hätte einfallen können. Anderswo tauchen Honeyblood samt Jangle-Gitarren in tiefe Ozeangräben und träumen sich bei "(I'd rather be) anywhere but here" gar in dieselbe jenseitige Shoegaze-Vergessenheit, mit der die britischen Frühneunziger-Wonneproppen The Heart Throbs auf ihrem Album "Cleopatra grip" einst versonnen über giftige Gänseblümchenwiesen stapften.

Wer sollte sich also daran stören, dass "Honeyblood" genau genommen eine mutwillig rückwärtsgerichtete Veranstaltung ist, wenn Tweeddale und McVicar ab der Hälfte genau die sehnsuchtstriefenden Melodien umarmen, mit denen sie bis dahin nicht recht rausrücken wollten? "Choker" löst vollmundig sämtliche harmonischen Versprechen ein, die "Biro" kurz zuvor schon andeutete, und auch "Fortune cookie" empfiehlt sich zu Glockengebimmel und Schellenkranz als knusprige Singalong-Köstlichkeit. Kurz vor Schluss echauffiert sich "All dragged up" mit den Worten "Why won't you grow up?" dann noch einmal so energisch, dass man sich vorübergehend lieber zurückzieht – und wenn es ins Badezimmer ist. Aber bloß nicht unter der Dusche singen. Das können Honeyblood nämlich auch viel besser.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Fall forever
  • (I'd rather be) anywhere but here
  • Choker
  • Fortune cookie

Tracklist

  1. Fall forever
  2. Super rat
  3. (I'd rather be) anywhere but here
  4. Bud
  5. Killer bangs
  6. Biro
  7. Choker
  8. No spare key
  9. Joey
  10. Fortune cookie
  11. All dragged up
  12. Braidburn Valley
Gesamtspielzeit: 39:52 min

Im Forum kommentieren

Mister X

2020-06-28 21:19:43

Entfaltet jetzt im Sommer inner Hängematte noch mal seine Wirkung. Funktioniert aber auch in den anderen drei Jahreszeiten.

Es gibt sehr wenig Alben, bei denen meine Gefühlswelt komplett durchgeht. Dies hier ist eines davon.

Bitte ins Album reinhören. Unterbewerteter kann ein Album gar nicht mehr sein

Hanno (unangemeldet)

2017-12-09 15:31:50

Gefällt (die "Babes Never Die") ...

Mister X

2016-11-29 13:15:48

*also die platte, nicht die rezension

Mister X

2016-11-29 13:08:37

die ist leider auch auf saemtlichen veroeffentlichungslisten fuer den jeweiligen freitag nicht aufgetaucht. haette man jetzt nicht vorher genau gewusst was und dass sie kommt...

Dorado

2016-11-29 00:43:25

Wo bleibt eigentlich die Rezension vom neuen Album Babes Never Die?
Gefällt mir wirklich gut bisher.

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