Mirah - Changing light
K / CargoVÖ: 25.07.2014
Prisma des Schmerzes
"Said the goat to the shepherd / I will cut your throat / I will eat you whole", mit diesen programmatischen, verstörenden Sätzen lässt die Wahl-New-Yorkerin Mirah Yom Tov Zeitlyn alias Mirah ihren mittlerweile fünften Longplayer "Changing light" beginnen. Dunkle Zeilen, die Abgründiges thematisieren. "Changing light" ist ein Trennungsalbum. Es handelt von Schmerz, von Aufgebrauchtsein, von Wut, von Unverständnis. Prismatisch werden Beschämung, Leiden, Nicht-begreifen-Können und Gebrochenheit in die Hoffnung auf Erlösung umgelenkt. Eine mulitperspektivische Vogelschau des inneren Erlebens, bei dem versucht wird, den Schock zu überwinden: Hilflosigkeit, Machtlosigkeit, Schutzlosigkeit. Die Ohnmacht, die ergreift, wenn der geliebte Mensch aus dem gemeinsamen Leben schwindet und mit ihm das Vertrauen, die Zukunft. Wenn Träume zerspringen und das einzige, was zurückbleibt, die eigene Ungenügsamkeit ist, mit dem Flehen nach Nähe: "You'll be a big tree, branching up around me / I'll be your baby, cradle me safely / Come on and hold me like I'm your girl / And I'll hold you like i'm your girl". Gezupfte Gitarren leiten den Schwanengesang des "Gold rush" ein, beenden die Anfangseuphorie des Neu-Verliebtsein, den turbulenten Taumel einer frühlingshaft aufkeimenden Liebe. Was wie Gold glänzte, verkommt zu verbrannter Kohle in der Verlassenheit.
"So I left with almost nothing but a gaping hole / Yes I did really went for broke" singt Mirah in "Oxen hope", während sich ihre Stimme verfremdet und in Klang auflöst, derweil musikalische Tiefendimensionen erreicht werden, wie sie die Kinder Bristols zu ihren besten Zeiten ausloteten. "And I don't question, no I don't doubt / Now that I've tried living with and without / That was a hard, hard muscle to grow / and harter still to let go." In einer Synthese aus Lana Del Rey und Adele fleht die Künstlerin in dem achtzigerjahre-getünchten Dark-Pop von "Turned the heat off": "And breathe together all the time." Der Rhythmus von Dearhoof-Schlagzeuger Greg Saunier wummert, flächendeckende Synthesizer überbauen staccatohafte Streicherloops und erschaffen mit leichenblassen Textzeilen Einsamkeit als einen Ort, der frei wird für romantische Fiktionalisierungen der retrospektivischen Betrachtung. "Fleetfoot ghost" setzt sich mit akustischer Gitarre, dem wohl letzten Medium der Selbstwahrnehmung, ans Lagerfeuer und schwelgt in der leidvollen Erinnerung, für die genug Raum bleibt in der Lautlosigkeit zwischen den Akkordwechseln.
Schwere legt sich auf die soundexperimentierende Orientierungslosigkeit von "No direction home", wie kalter Novembernebel auf das Gemüt: "I used to walk through your room / cause you liked it". Zurück bleibt letztlich auch hier nur Verlorensein. Die rosige Welt vernichtet das im Uptempo gehaltene "24st St" mit den einleitenden Sätzen eines Trennungsgesprächs. Die Desorientierung kulminiert mit "Radiomind" in dem Versuch, sich diesem ganzen Dilemma zu entziehen. Doch auch dieser scheitert. Nach all dem bleibt die Frage, was der Schäfer der Ziege des Eingangszitats erwidert? Ihm bleibt lediglich perplexe Ratlosigkeit: "Said the shepherd to the goat / What is this feeling in my throat? / What is this feeling? What is this feeling?"
Highlights & Tracklist
Highlights
- Goat shepherd
- Oxen hope
- Gold rush
Tracklist
- Goat shepherd
- Oxen hope
- Turned the heat off
- Gold rush
- Fleetwoot ghost
- I am the garden
- No direction home
- 24st St
- LC
- Radiomind
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- Mirah (10 Beiträge / Letzter am 20.07.2014 - 10:09 Uhr)