
The Flaming Lips - 7 skies H3
Bella Union / [Pias] Cooperative / Rough TradeVÖ: 27.06.2014
Krawalle und Hiebe
Zugegeben, man weiß gar nicht recht, wo man anfangen soll, wenn es um "7 skies H3" geht. Wir versuchen es trotzdem und beginnen vielleicht einfach mit dem Grundgerüst: The Flaming Lips veröffentlichten im Jahr 2011 einen Song, der 24 Stunden lang ist. Das alleine wäre ja schon eine ziemliche Besonderheit, wäre da nicht der Umstand, dass Wayne Coyne und seine Kollegen wirklich einen an der Waffel haben. Daher gab es das Teil nicht einfach nur online für alle, die mal eben einen Tag lang Zeit haben, um den Lips bei ihrer von Acid oder anderen halluzinogenen Stoffen inspirierten Irrfahrt zuzuhören, sondern auch in Form einer Festplatte, die sich in einem angeblich echten menschlichen Schädel befand. Man konnte das schmucke Köpfchen für gerade mal 5.000 Dollar kaufen, jedoch war das Angebot limitiert auf 13 Stück – und die gingen auch noch alle weg.
Pünktlich zum Record Store Day 2014 verbreitete sich schließlich die Nachricht, dass Coyne & Co. "7 skies H3" auf Vinyl veröffentlichen wollten. Aufgrund eines Fotos, das die Band auf Twitter veröffentlichte, auf welchem man einen Karton mit der Aufschrift "35 PCS" sehen konnte, gingen einige Vinyl-Liebhaber schon ordentlich steil ob der Annahme, dass es tatsächlich die vollen 24 Stunden, gepresst auf 35 Platten, geben würde. Die Erklärung folgte jedoch sofort: Nur eine getrimmte Version gäbe es, proportioniert in kleine Songhappen – leichter verdaulich ist "7 skies H3" dadurch nicht geworden. Statt einem einzigen Stück gibt es nun zehn, statt 24 Stunden nicht mal eine ganze, und dennoch haben diese 50 Minuten es in sich. Wenige Monate nach dem RSD gibt es die Platte nun auch regulär zu kaufen, und noch immer lässt sich kaum in Worte fassen, was hier wirklich passiert.
Am besten macht man einfach weiter mit dem Anfang: "7 skies H3 (Can't shut off my head)" startet das Album, es ist neben dem Closer das zweitlängste Stück, und wer diese achteinhalb durch und durch aufwühlenden Minuten erfolgreich hinter sich gebracht hat, dem gebührt ein Extra-Lob. Zäh ist es, fast bockig, mit durch Mark und Bein gehenden Synthesizern und einem Leadsänger, der seine Stimme bestens als weiteres Instrument einzusetzen weiß. Als würde man dem Geist von Laura Palmer durch die Wälder von Twin Peaks folgen müssen, zieht die sich wiederholende Melodie den Hörer in ihren Bann, nur um sich im darauffolgenden "Celestial trance" in einem noisigen Instrumental zu verheddern. Den Flaming Lips scheint es zu widerstreben, einfach nur Musik zu machen, sie verweigern sich hier offen der Simplizität, wie sie es schon Mitte der 90er auf "Clouds taste metallic" oder auf dem widerspenstigen "Zaireeka" getan haben; "7 skies H3" ist eine Herausforderung.
Wer sich dieser jedoch stellt, wird belohnt. Klar muss man sich auch mal durch tumultartiges Getöse beißen, wie etwa durch das horrorartige und stellenweise aufgrund der vielen eingestreuten Schreie sogar arg befremdliche "Riot in my brain!!", das so klingt, wie sich ein schlechter Trip anfühlen muss, und mal eben mit der flachen Hand ein paar Ohrfeigen austeilt. Oder durch die Science-Fiction-Oper "Battling voices from beyond", in der ein feierlicher Chor die vor dem inneren Auge entstehenden Kampfszenen begleitet, die der Hörer mit sich selbst austrägt – ein fast poetisches Bild, das hier von dem Quartett mitnichten nur in Schwarz-, Weiß- und Grautönen gemalt wird, sondern das hier und da durch einige kuriose knallbunte Flecken garniert, ja, beinahe gestört wird. Das muss man sicher nicht mögen. Loslassen kann man aber auch nicht so leicht. Und sollte man auch nicht.
Die zweite Hälfte von "7 skies H3" ist, mit Ausnahme des bereits genannten "Riot in my brain!!" deutlich ruhiger, mit dem hervorstehenden "Requiem" als wohl offensichtlichstes Highlight, welches in seiner morbiden Schönheit kaum greifbar zu sein scheint. Wie eine Traumsequenz schwebt Coynes Gesang hier durch den Raum, hinterlässt überall ein paar Spuren, ohne sich an einer Stelle wirklich niederlassen zu können. Ähnlich verhält es sich mit "Can't let it go", das die anderen acht Songs gemeinsam mit dem Opener einzäunt, dessen achteinhalb Minuten aber weniger an die Nieren, sondern vielmehr ans Herz gehen. Oder wirkt es nur so? Denn kaum hat man es sich bequem gemacht, sind sie wieder da, die Twin-Peaks-Synthies, mit denen Laura Palmer den Hörer in die Wälder ziehen will, und einer Homecoming Queen würde man ihren Wunsch natürlich nie verweigern – es ist womöglich ihr letzter. Und herausfinden aus dem Dickicht, das muss man schließlich alleine.
Highlights & Tracklist
Highlights
- 7 skies H3 (Can't shut off my head)
- Battling voices from beyond
- In a dream
- Requiem
Tracklist
- 7 skies H3 (Can't shut off my head)
- Celestial trance
- Battling voices from beyond
- In a dream
- Metamorphosis
- Requiem
- Meepy morp (Reprise)
- Riot in my brain!!
- 7 skies H3 (Main theme)
- Can't let it go
Im Forum kommentieren
humbert humbert
2021-08-16 21:02:57
'Can't Let It Go' ist ein Riesensong der sich hier auf diesem Nebenwert versteckt. Definitive in meiner Top 5 der Lips.
Grobi
2014-07-01 20:31:14
Najaaaa.... Nur weil es ein paar 80er Synthies hat und ein bisschen nach Dark Ambient klingt, muss nicht gleich Twin Peaks sein.
The MACHINA of God
2014-07-01 19:34:38
Ganz so unpassend find ich ihn an so mancher Stelle aber nicht.
Grobi
2014-07-01 19:15:52
Mag sein, wenn er denn wenigstens passen würde.
Achim
2014-07-01 18:51:11
den vergleich finde ich okay. jeder sollte das recht haben, ihn einmal in seiner rezensenten-laufbahn zu ziehen.
Achim.
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