Yesterday Shop - Parodos

Trickser / Broken Silence
VÖ: 09.05.2014
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Emanzipationswürdig

Es sind glücklicherweise seltene, aber doch bemerkenswerte Momente: wenn man hinterrücks vom deutschen Formatradio überrascht und zwangsbeschallt wird, und für eine Zeit lang nicht flüchten kann. Leider stellt man immer wieder fest, dass sich das Programm in den letzten 20 Jahren tatsächlich kaum geändert hat. Da werden freudig Schnarch-Hymnen wie "Always“ von Bon Jovi, angebliche "Rock-Bretter" wie Nickelbacks "How you remind me" angekündigt, oder – wenn es noch dicker kommt – das "kultige" "Lemon Tree" von Fools Garden als "unzerstörbar" gepriesen. Viele Stationen, immer die gleiche Philosophie: 80s, 90s und 00er-"Hits" plus "Das Beste von heute" oder gerne auch Xavier-Naidoo-Schmalz oder Avicii-Gedudel, bis auch die letzte Hausfrau immun gegen Musik ist.

Halbwegs anspruchsvolle oder experimentelle Popmusik dagegen hat häufig einen schweren Stand in der hiesigen Öffentlichkeit. Ohne aktive Marketing-Maschinerie und Label-gelenkte Airplay-Garantie ist es nach wie vor ungleich schwerer, ein mögliches Publikum zu erreichen, als beispielsweise in Großbritannien. Selbst, wenn man die Songs dazu hat. Sönke Strauch, Daniel Bender, Oliver Heinrich, Clemens Kluck und Florian Wienczny alias Yesterday Shop könnten gleich mehrere Lieder davon singen. Ihr Song "The good life" etwa würde nach Coldplays "Clocks" prima ins Programm passen. Auch "Trees and games" ist ein mehr als feiner Popsong mit Ohrwurm-Potenzial, dem lediglich die Aufmerksamkeit fehlt.

Ein wenig paradox ist allerdings, dass Yesterday Shops große Stärke, große und klanglich opulente Pop-Perlen zu schreiben, zugleich auch so ein wenig ein Problem der Berliner sein könnte. Weil zum Beispiel "The water" oder auch "Parodos // Winter act III" auch deshalb so schön sind, weil sie in ihren Arrangements sehr nahe bei so manchen Großtaten von Elbow oder Doves sind. Ein wenig mehr Eigenständigkeit, und ihr zweites Album "Parodos" wäre tatsächlich das "erste Chorlied" (eine mögliche Wortbedeutung des Albumtitels) unter den melancholisch-schönen Tragödien dieses Jahres.

Vielleicht stärkt das Klangbild im Gesamten auch diese Assoziationen, weil Clemens Klucks Kopfstimme in manchen Momenten doch sehr an den frühen Thom Yorke erinnert – der immer dann zu Chris Martin mutiert, wenn es melodischer zugeht. Sicherlich nicht die unangenehmsten Referenzen, doch sie werden dann zum kleinen bis mittelgroßen Hindernis, wenn man während Yesterday-Shop-Songs nur selten an Yesterday Shop denkt. Dennoch ist und bleibt der Fünfer aus der Hauptstadt eine handwerklich beachtliche Band. Die schrittweise Emanzipation von den gewichtigen Vorbildern und manch alten Gewohnheiten darf man ihnen in der Zukunft ebenfalls zutrauen. Im Gegensatz zum deutschen Formatradio.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The good life
  • The water
  • Parodos/Winter act III

Tracklist

  1. Two beasts
  2. Trees and games
  3. The good life
  4. The water
  5. White
  6. Ghost
  7. The bells
  8. Wounds
  9. Parodos/Winter act III
  10. My fortune
Gesamtspielzeit: 36:18 min

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Armin

2014-06-19 19:38:51

Frisch rezensiert! Meinungen?

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