Papercuts - Life among the savages
Memphis Industries / IndigoVÖ: 27.06.2014
Herz an Herz
Auf "Life among the savages", dem fünften Album seines Projekts Papercuts, macht der Kalifornier Jason Quever ziemlich viel ziemlich richtig. Nachdem er mit dem 2011er "Fading parade" sein erstes und einziges Werk auf Sub Pop veröffentlicht hatte, steht er international nun bei der Welk Music Group unter Vertrag und hat sich für die Aufnahmen in seinem Heimstudio in San Francisco verbarrikadiert, um dort mit der gewohnten Liebe zum Detail die neun neuen Stücke zu produzieren. Dabei ist ein Album entstanden, dem man sowohl die Melancholie als auch die Heimatverbundenheit des Künstlers anhört, das aber zugleich auch eine gewisse Abenteuerlust versprüht.
Ähnlich wie seine Freunde von Grizzly Bear oder auch Beach House baut Quever um seine Songs ein dreampoppiges Konstrukt, das stellenweise so zart, zerbrechlich und wackelig anmutet, dass es beim kleinsten Windhauch umzufallen droht – so etwa im Lo-Fi-artigen "Psychic friends", auf dem er mehr zu erzählen scheint als wirklich zu singen, und dem die kratzige, ungeschönte Produktion nur zugute kommt. Es ist jene Form von natürlicher Ästhetik, die auf "Life among the savages" nicht nur eine große Rolle spielt, sondern wahrscheinlich den Großteil jener ans Herz gehenden Atmosphäre ausmacht.
Denn Quever offenbart nicht nur seine tiefsten Gefühlen und sein Innerstes, sondern möchte genau das auch bei seinen Hörern bewirken. So singt er in "New body" von der nur allzu menschlichen Neigung, das eigene Aussehen durch künstliche Hilfsmittel zu verändern, um die eigenen Dämonen unter einer dicken Schicht Chemie zu verstecken – ein gar sinnloses Vorhaben, das ihm selbst nicht wirklich fremd zu sein scheint. Ähnlich ergeht es dem Erzähler in "Family portrait", der in seinen Heimatort zurückkehrt und sich dort nicht nur an der eigenartigen Fremde stößt, sondern auch an der Erkenntnis, nicht mehr wirklich ein Teil des Ganzen zu sein.
Einen Schritt weiter geht die großartige Ballade "Easter morning", in der es vor allem die Pianospur ist, die sich nachhaltig ins Gehör spielt, und das zunächst rührende Szenario rund um ein paar Kinder am besungenen Ostermorgen, das mit den Worten "Nobody cares / You're putting on airs / Don't you know / It's Easter morning" jäh und trotzig beendet wird. Der breit instrumentierte Titeltrack erklärt, was "Life among the savages" wirklich bedeuten soll – in der heutigen Gesellschaft steht jeder für sich und isoliert sich somit von den anderen, vermeintlich "wilden" Anderen. Quever zeichnet damit ein bedrückendes Bild, das mit dem abschließenden "Tourist" seinen Höhepunkt findet in der Frage "Why won't you help me / I can't find my way home." Diese Musik kommt eben nicht einfach nur von Herzen – sie trifft auch direkt hinein.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Life among the savages
- Easter morning
- Tourist
Tracklist
- Still knocking at the door
- New body
- Life among the savages
- Staring at the bright lights
- Family portrait
- Easter morning
- Psychic friends
- Afterlife blues
- Tourist
Im Forum kommentieren
Desire Nezitic
2014-06-20 15:54:56
ich besorgs mir dazu jeden morgen
Vorschlag
2014-06-20 09:21:11
Bitte Desare zum Rezensenten machen. Die Rezis liest sowieso niemand mehr und er kann sich dann im Forum etwas zügeln.
Desare Nezitic
2014-06-20 02:28:10
Schön, dass das Album hier Erwähnung findet. vor allem mit dieser schönen, treffenden Rezension von Jennifer.
Höre das Album schon seit über einem Monat. Ein wundervolles Kleinod; ein durchweg rundes Album, das ständig von den zarten Sonnenstrahlen am Morgen liebkost wird und dem Hörer dadurch einfach eine tief sitzende gute Laune beschert. Beim Müßiggang mit dem Album auf den Ohren auf einer grün-saftigen Wiese liegen und alles geschäftige Treiben hinter sich lassen (was bei mir im geographischen Sinne auch zutrifft, so schön hinter der städtischen Burg :) ). Da fällt mir ein...unglaublich, wie harmonisch die ganzen Insekten durch die Luft schwirren können. Als ob sie die Lieder mithören und sich denen rhythmisch einfach so fügen...
Lyrisch definitiv ausgereift, die schon früh in "New Body" mit einer sehr poetischen Auseinandersetzung mit der vermeintlichen äußerlichen Verbesserung des Selbst gipfelt.
Übrigens auch schön, dass die Pianoballade "Easter Morning" so prominent herausgestellt wird. So unschuldig und fernab jeder Lebensproblemen. Hat irgendwie etwas von Elton John, oder liege ich da falsch?^^ Jedenfalls einer meiner Lieblingssongs bislang in diesem Jahr.
Insgesamt eine 8/10, weil zwar jeder Song schön ins Albumkonzept hineinpasst, ein "Staring at the Bright Lights" und gerade "Psychic Friends" dann doch nur kleine Transferstücke zum nächsten Highlight sind. Ist von der Grunstimmung so ein wenig der Foxygen-Nachfolger für 2014 und darüber hinaus exakt so gut.
Highlights: New Body; Eastern Morning; Tourist
Armin
2014-06-19 19:38:29
Frisch rezensiert! Meinungen?
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