
Eyehategod - Eyehategod
Century Media / UniversalVÖ: 23.05.2014
Zurück im Unglück
Vielleicht kann der durchschnittliche Mittelstands-Mittzwanziger überhaupt nicht richtig nachvollziehen, was Mike Williams antreibt, beschäftigt und was ihm schon widerfahren ist. Man kann einen Blick auf die Biografie des Eyehategod-Sängers werfen, in Gedanken Haken hinter Tod, Drogen, Knast, noch mehr Drogen und Hurricane Katrina machen. Aber selbst dann wird nicht klar, woher der Mann die alles überstrahlende Wut hernimmt, die aus den Texten, seinem (meist kaum verständlichen) Gesang, aber auch der dissonanten, ja manchmal atonal lärmenden Musik seiner Band hervorbricht. 14 Jahre nach "Confederacy of ruined lives" hat sich daran nichts geändert. Man verzweifelt an Eyehategods fünftem Album, kann aber die Ohren nicht abwenden.
Der Fünfer aus New Orleans ist immer noch eine der extremsten Bands des Metal. In Sachen Geschwindigkeit oder Schreifaktor mögen sie von fast allen Death- oder Black-Metal-Bands locker überholt werden. Aber die Angekotztheit, die aus jeder Silbe trieft, die nervenaufreibend fiependen Sludge-Riffs, die brutalen Breaks und die komplette Verweigerung von Ästhetik und Konvention macht Eyehategod niemand nach.
Der einzige Kompromiss, der sich eineinhalb Jahrzehnte nach dem letzten Studioalbum erkennen lässt, ist die unter all den Lagen Dreck ein wenig besser erkennbare Liebe zum sumpfigen Blues Louisianas. Die zerkratzten Riffs, die etwa zwischenzeitlich "Nobody told me" oder "Worthless rescue" so etwas wie eine Struktur geben, erinnern an Down, mit denen Eyehategod nicht nur durch Gitarrist Jimmy Bower eng verbunden sind. Bevor man sich allerdings allzu sehr anbiedert, nehmen Mike Williams und insbesondere der 2013 leider verstorbene Drummer Joey LaCaze nicht nur diese beiden Songs fachgerecht auseinander.
Ähnlich ergeht es "Framed to the wall", dessen kurze Rhythmus-Liebäugelei eingerahmt wird von einem blutspuckenden Crustpunk-Intro und monotoner Akkord-Schredderei. Die Konsequenz, mit der Eyehategod den Metal kaputtmachen, ist vielleicht ihr auffälligstes Merkmal, aber nicht der einzige Grund, warum die Band in all den Jahren nichts von ihrer Faszination eingebüßt hat. Das Ausloten von Extremen ist kein Selbstzweck, dahinter stecken immer Songs wie "Parish motel sickness" und "Medicine noose", deren Kombination aus Massenkarambolage und Bluesclub so keine andere Band hinbekommt.
Überhaupt die Extreme auf dieser extremen Platte: "Agitation! Propaganda!" legt mit explosionsartiger Knüppelei vor, lässt die Gitarren genüsslich quietschen und die langsame Bridge vom Drummer kaputtprügeln. "Flags and cities bound" verabschiedet sich dagegen fast ganz von der Musik. Mike Williams' doppelt aufgenommene Stimme murmelt und keift über Feedback-Orgien und dahingeschluderte Trommelschläge. Dann setzt ein halbherziges Riff ein, hält eine Weile durch und wird schließlich wieder vom Feedback überwältigt. Was auch immer Mike Williams antreibt: Anti-Musik war selten so großartig.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Agitation! Propaganda!
- Parish motel sickness
- Medicine noose
Tracklist
- Agitation! Propaganda!
- Trying to crack the hard dollar
- Parish motel sickness
- Quitter's offensive
- Nobody told me
- Worthless rescue
- Framed to the wall
- Robitussin and rejection
- Flags and cities bound
- Medicine noose
- The age of boot camp
Referenzen
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