Natalie Merchant - Natalie Merchant
Nonesuch / WarnerVÖ: 02.05.2014
Bloß nicht aufregen
Etwas mehr als vier Jahre ist es nun her, dass Natalie Merchant mit "Leave your sleep" für mildes Unverständnis bei Kollegin Jennifer Depner sorgte. Sie solle doch endlich mal wieder was Eigenes schaffen und nicht schon wieder mit Coverversionen ankommen. Und dann auch noch als Doppelalbum mit Konzept. Das gehe doch so nicht. Nun, es ging. Weil Merchant nicht irgendeine dahergelaufene Pop-Göre ist, sondern eine ziemlich findige Singer-Songwriterin. Und weil sie obendrein auch noch nicht kritikresistent ist, erfüllt sie nun die Forderung nach neuem Eigenmaterial. Von Bedeutung ist diese Tatsache, weil ihr letztes 'echtes' Album "Motherland" inzwischen auch schon stolze 13 Jahre auf dem Buckel hat. Aber für die geradlinigen Musikerwege war diese Frau ohnehin nie zuständig.
Gelohnt, das kann an dieser Stelle bedenkenlos verraten werden, hat sich das lange Warten auf neue Songs auf jeden Fall. Nahtlos reiht sich dieses Album in Merchants bisheriges Solo-Schaffen ein. Ein latenter Hang zum Folk, ein Gespür für cleveres Songwriting, eine Prise Soul und eine wundervolle Stimme. Es gibt schlechtere Voraussetzungen für ein gutes Album. Doch Merchant macht es sich angenehmerweise gar nicht mal so leicht. Fast zu unaufdringlich wirken ihre Arrangements bei der ersten Begegnung, fast läuft man Gefahr, das Ganze unbemerkt vorbeiziehen zu lassen.
Lässt man sich aber auf diese Stücke ein und gibt ihnen die Chance, sich zu entfalten, offenbart sich ein wundervolles Album. Ruhig, tiefsinnig, reich an Höhepunkten. "Seven deadly sins" ist so einer. Merchant singt über den "bloody war", sprich die Trennung von ihrem Mann. Angeführt von einer rührseligen Akustikgitarre steigert sich der Song gemächlich, lässt mehr und mehr die Nackenhaare nach oben schnellen. Und gegen Ende kommen die traurigsten Bläser, die man sich vorstellen kann. Das geht durch Mark und Bein. Davon muss man sich erst erholen. Zum Glück ist Merchant so nett, mit dem beinahe gut gelaunt wirkenden "Ladybird" gleich den richtigen Song dafür zu bieten.
Solch lichtere Momente sind ansonsten aber rar gesät auf dieser Platte. Viel lieber wird hier in dunkleren Farben gemalt. Wie in "Giving up everything", das von einem bedrohlichen Bassgrollen und anmutigen Streichern getragen wird. Oder bei "Black sheep", das nach den traurigsten nun die nachdenklichsten Bläser präsentiert, die man sich vorstellen kann. Ein Song, der runter geht wie staubtrockener Rotwein. Und trotzdem schmeckt. Dabei kann sich Merchant es sogar erlauben, das eigentliche Highlight "Lulu" erst kurz vor Schluss rauszurücken. Ein Stück, das ein eigenes Intro spendiert bekommt, weil es so gut ist, und natürlich nichts mit diesem komischen Album von Lou Reed und Metallica zu tun hat. Dafür aber mit einem versöhnlich tönenden Klavier, einem betörendem Aufbau und einer Merchant, die zwischenzeitlich beinahe laut wird.
Und was man zunächst kaum bemerkt hat, wird mit der Zeit immer deutlicher: Man hat es hier mit einem außergewöhnlichen Album zu tun. Einem Album, das keinerlei Aufhebens um sich selber macht, das sich nicht aufdrängt. Und einen doch nicht mehr loslässt. Weil es unprätentiös, durchdacht, elegant und schlichtweg verdammt gut ist. Ein kleines Wunder für ruhige Stunden, das nicht nur Kollegin Depners Gemüt beruhigen wird. Beim nächsten mal soll sich Merchant aber bitteschön nicht wieder 13 Jahre Zeit lassen. Sonst müssen wir uns hier nur wieder aufregen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Go down Moses
- Seven deadly sins
- Giving up everything
- Lulu
Tracklist
- Ladybird
- Maggie said
- Texas
- Go down Moses
- Seven deadly sins
- Giving up everything
- Black sheep
- It's a-coming
- Lulu (Introduction)
- Lulu
- The end
Im Forum kommentieren
Pepe
2014-11-23 12:38:27
Noch kein Thread geschweige denn ein Posting zu diesem klasse Album, das hier zu Recht mit 8/10 bewertet worden ist?
Bitte aufwachen ihr Schnarchnasen :)
Anstatt ein aufgewärmtes Avalon von Bryan Ferry oder glattgebügelte TV On The Radio zu hören, gönnt euch mal etwas Ruhe und Muse und genießt die hohe Kunst des Songwritings und eine der besten Stimmen dieses Genres.
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