Mark Forster - Bauch und Kopf

Four / Sony
VÖ: 16.05.2014
Unsere Bewertung: 2/10
2/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Ha! Zwei O!

Mineralwasser schmeckt immer gleich und doch jedem anders. Was einerseits an der Menge der zugegeben Kohlensäure liegt – und andererseits vermutlich an dem, was kreative Texter so an Lügen auf dem Etikett hinterlassen haben. Es muss eine fürchterlich schwierige Aufgabe sein, Eigenschaften für etwas zu erfinden, das keine hat. Denn ob da nun "feinperlig", "mild", "ursprünglich" oder was auch immer steht: Wasser bleibt geschmacksneutral. Womit die längst überfällige Überleitung zu Mark Forster erfolgt wäre. Dessen Zweitwerk "Bauch und Kopf" ist nämlich auch frei von Eigenschaften, die seinem Inhalt auch nur im Ansatz einen eigenen Charakter verleihen würden.

Die Melodien sind vollkommen austauschbar, die Texte formulieren belanglos alle naheliegenden Variationen, die der populäre Beziehungsstatus "Es ist kompliziert" so mit sich bringt. Weil deshalb auch nichts irritiert, sprechen wir hier von absoluter Radiokompatibilität: Wer möglichst ungestört die eigenen Gedanken fliegen lassen mag, den wird diese Musik sicherlich nicht dabei stören. Wer diesem Album indes mehr Aufmerksamkeit schenken möchte oder muss, der stolpert hier und da dann vielleicht doch. Über Verbrechen an der deutschen Sprache, von denen der Satz "Ich bin fein damit" noch nicht einmal das schwerwiegendste ist. Über die Chöre, die in fast jedem Lied verlässlich bedeutungsschwer irgendwas mit "Oo" summen. Oder über die infantil anmutende Stimmlage, in der Forster nicht nur im Titelsong klingt wie ein grenzdebiler Onkel, der sich bei seinen Neffen einschleimt.

Die stets deutlich zu dick aufgetragenen Orchestersätze des Wroclaw Score Orchestra (auch schon für Rosenstolz und Peter Maffay im Einsatz) wirken so zuckrig wie ein Nutellabrot ohne Butter. Und genaugenommen auch ohne Brot: Ihnen fehlt schlicht jegliche kompositorische Grundlage, auf der sie sich ausbreiten könnten. Aus einem Nichts wird mittels dramatischer Streicher eben auch nicht mehr als ein besonders pompöses Nichts. In Abwesenheit von tragenden Melodien bleiben auch die für sich genommen allesamt tauglichen Beiträge von Sido, Flo Mega und Caroline Niemczyk (Glasperlenspiel) wirkungslos. Und lugt dann wie in "Immer immer gleich" in Form einer eingangs angenehm schüchternen Klaviermelodie doch mal ein wenig Substanz aus dem glatt produzierten Einheitsbrei hervor, fungiert das Orchester am Ende als Guillotine und schlägt dem Song mit aller Wucht seinen zierlichen Kopf ab.

Das ist alles ein bisschen schade. Denn Mark Forster hat das auf dem Debüt "Karton" durchaus noch angedeutete Potential hier sehr entschlossen versenkt. Im einem Meer aus Streichern und schiefen Bildern ("Ich weiß schon, alles wird sich richten / Das Leben ist ne Kegelbahn"). Und so durchsichtig wie stilles Wasser ist der Gedanke dahinter: Deutschsprachige Alben von Bourani, Bendzko und Konsenskonsorten, auf deren Hüllen Zuschreibungen wie "gefühlvoll", "persönlich" oder "bodenständig" gedruckt werden, verkaufen sich eben wirklich prächtig. Solange sie auf störende Elemente wie inhaltliche Botschaft oder komplexe Songstrukturen verzichten, zumindest. Deshalb klingt erfolgreiche deutschsprachige Musik heuer immer so wie hier. Nämlich so, wie es in der Vorab-Single "Au revoir" treffend formuliert ist: "Zum Kotzen vertraut".

(Andreas Beckschäfer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Au revoir
  • Immer immer gleich

Tracklist

  1. Au revoir
  2. Königin Schwermut
  3. Immer immer gleich
  4. Zu oft
  5. Flash mich
  6. Hundert Stunden
  7. Interlude
  8. Bauch und Kopf
  9. Hallo
  10. Oh love
  11. Geisterjäger
  12. Ich trink auf Dich
  13. Wer Du bist
Gesamtspielzeit: 43:27 min

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