Chromeo - White women
Parlophone / WarnerVÖ: 16.05.2014
Brautschau
So, aufgeregte Rassen-Gender-Aktivisten bitte links abbiegen, der Rest darf bleiben. Wer sich den Spaß an "White women" schon des Titels wegen verderben möchte, braucht gar nicht weiterlesen. Der Rest erfährt jetzt: Dave 1 und P-Thugg von Chromeo wollen damit provozieren, die Leute zum Denken anregen. Oder im Klartext: sie bei der Stange halten, wo die Musik im ersten Moment doch gefährlich schnell in der Masse zu versinken droht. Es wäre ja auch wirklich niemandem zu verübeln, nach dem Hype um Daft Punks "Random access memories" schon wieder genug vom Synth-Disco-Revival zu haben. Die 80er haben ihre beste Zeit hinter sich – mal wieder.
Dranbleiben lohnt sich hier aber trotzdem. Das liegt vor allem an der Art, wie Chromeo zehn Jahre nach ihrem Debüt "She's in control" noch immer die gleiche Ausgangsidee verfolgen und diese gekonnt immer weiter verfeinern. Es geht um Disco, Soul und Funk, um Altes und Neues, um Sound, der auf direktem Weg ins Blut geht. Die größte Kunst dabei ist wohl, über Jahre die gleiche Strategie zu fahren, ohne ernsthaft langweilig zu werden. Da ist schnell verziehen, dass sich Album Nummer vier nicht groß um revolutionäre Geistesblitze schert. Es ist das beste Chromeo-Album bisher und darauf kann das Duo stolz sein. Mit blanken Inhalten sollte es trotzdem nicht hausieren gehen.
Denn der Albumtitel könnte falsche Erwartungen wecken – hinter dem Brautschleier ist es mit tiefgreifender Gesellschaftskritik oder gar Politik nicht mehr weit her. Die Texte geben sich ironisch-platt und handeln zumeist von Frauen – dass die jetzt unbedingt weiß sein müssen, spielt keine Rolle. "And even though you've got small breasts / But to me they look the best / I confess / I wanna go home and get you undressed", heißt es in "Over your shoulder" zu Funk-Bass, Nile-Rodgers-Gitarre und den inzwischen typischen Chromeo-Synthies. Der Gesamtsound stimmt, die Worte dazu – na ja, ganz witzig.
Einen Literaturnobelpreis streben die Kanadier ja aber wohl kaum an. Und tanzt es sich mit leerem Kopf nicht immer schon am besten? Die Songs jedenfalls sind astrein produziert, die Melodien gehen ins Ohr wie die Beats in die Hüfte und zum ersten Mal haben sich Chromeo auch Gäste eingeladen. Da sind Chillwave-Vorzeigeschüler Toro Y Moi im sanft groovenden "Come alive" und Solange Knowles, die Dave 1 in "Lost on the way home" zum Duett fordert. Am stärksten sticht aber Ezra Koenig von Vampire Weekend heraus, dessen "Ezra's interlude" mit Klavier und ziemlich softer Stimmung das Tanzbein ausnahmsweise in Frieden lässt. Die Gäste deuten es schon an: "White women" ist weit mehr als aufgewärmte Disco-Kultur von vor 30 Jahren. Das Album zeigt zwei extrovertierte Popmusikkenner auf Brautschau, Brust raus, Sonnenbrille über das verschmitze Lächeln geklemmt und auf zur Vermählung von Damals und Heute. Dave 1 übertreibt dann aber doch ein wenig, wenn er sagt: "I hope it's the beginning of a movement." Chromeo machen einfach das, was Chromeo schon immer gemacht haben – und werden darin immer besser. Wer sich damit nicht zufrieden gibt, ärgert sich auch über Plastikbecher zum Freibier. Und über kleine Brüste.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Jealous (I ain't with it)
- Hard to say no
- Old 45's
- Fall back 2u
Tracklist
- Jealous (I ain't with it)
- Come alive (feat. Toro Y Moi)
- Over your shoulder
- Sexy socialite
- Lost on the way home (feat. Solange)
- Play the fool
- Hard to say no
- Ezra's interlude (feat. Ezra Koenig)
- Old 45s
- Somethingood
- Frequent flyer
- Fall back 2u
Referenzen
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