Yann Tiersen - Infinity

Mute / GoodToGo
VÖ: 16.05.2014
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Hoffentlich ist es Breton

Die Welt kennt große und kleine Tiere, in allen Nuancen. Und sie weiß um Yann Tiersen, ein ziemlich kapriziöses Exemplar von einem Komponisten. Seine suggestiven Untermalungen fürs Mehrheiten-Kino sowie seine Klimpereien für verheulte Stunden allein im Exil sind bei Plattentests.de bereits erschöpfend abgehandelt worden, sodass es keines weiteren Bandwurmsatzes wie diesem hier als Einleitung bedarf. Der frische Franzose hat seine Gefühlswirrungen zum wiederholten Male in Klangzement gegossen. Mit dem Resultat muss sich nun in den kommenden Leseminuten ein jeder selbst herumschlagen. Aber auf der Terrasse bitte nur große Seufzer bestellen.

"∞" oder ausgeschrieben "Infinity" erscheint auch nach mehreren Durchläufen als eine regelrechte Pöbelei mit Tönen. Heulen die Streicher des Titelstücks zunächst maschinenerweichend herum, als wollten sie David Lynchs Eraserhead-Phase gedenken, so steuern artverwandt jaulende Gitarrenflächen in "Slippery stones" dann ebenso ungerührt auf einen regennassen Kirmesplatz am Mulholland Drive zu, um für "Midsummer evening" einem aufmarschierenden Kinderorchester Platz zu machen. Zielloser Ambient in "Greenworld" und "The crossing", verschlafen-schludriger Post-Rock bei "Steinn" oder "In our minds", den kurz zuvor noch Indie-Fragmente in "Ar maen bihan" eigentlich mit ihrer gesamten Erhabenheit beschützen wollten. Und beim diabetischen Chor von "Lights" wird umgehend wieder auf die eigenen Schuhspitzen gestarrt, damit bloß keiner mitbekommt, was das alles für ein großer Mumpitz ist. Dem kann selbst der butterige Folk von "Meteorite" trotz seines entschuldigenden Gestammels nicht viel entgegensetzen.

Den Rest an Unsicherheit kaschiert Tiersen mit einem ätherischen Stimmen-Esperanto unterschiedlichster Herkunft, da er seine Muttersprache anscheinend nicht mehr zu würdigen weiß. Wie in der freien Natur hat bei ihm nichts Bestand, alles ist Veränderung. Und doch ist die Summe von Tiersens Elementarteilchen alles andere als organisch. Die erzwungene, haltlose Divergenz dieses Albums verwirrt nicht nur, sie nervt schon bald. Von einem inneren Zwang getrieben wechselt Tiersen die Stimmungen häufiger als mancher Typ die Unterhosen – von seinen vorherigen Veröffentlichungen ist dieser Kniff ja längst bekannt. Nur, dass man ihm dabei inzwischen nicht mehr folgen kann oder dies erst gar nicht möchte.

"∞" offenbart sich als verkopftes Aufmerksamkeitsdefizit: gedankenverloren, zusammenhanglos und meist auf der Flucht vor sich selbst. Die trügerische Entspannung, die dieser Tonträger an vielen Stellen vorgibt, sie ist nicht mehr als eine schlecht geschminkte Farce. Da kann man nur hoffen, dass die morsche Fassade hält, bis die Massen vorübergezogen sind. Der Einsturz ist nämlich vorprogrammiert.

(Andreas Knöß)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Midsummer evening
  • Ar maen bihan

Tracklist

  1. Infinity
  2. Slippery stones
  3. Midsummer evening
  4. Ar maen bihan
  5. Lights
  6. Greenworld
  7. Steinn
  8. In our minds
  9. The crossing
  10. Meteorite
Gesamtspielzeit: 49:25 min

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