Conor Oberst - Upside down mountain
Nonesuch / WarnerVÖ: 16.05.2014
Der Türöffner
Eine Conor-Oberst-Rezension muss mit dem Auszug aus einem seiner Texte enden. So viel steht mal fest. Schließlich hat er den Status als "musikalisches Wunderkind des neuen Jahrhunderts" vor allem seiner Gabe zu verdanken, mit unverbrauchten Worten Emotionen neu erfahrbar zu machen. Oberst schürt Sehnsüchte – nach Liebe, Rausch und Kampf. Im Netz gibt es etliche Seiten, die sich seiner Formulierungskunst widmen und auf denen Songtexte diskutiert und gewürdigt werden. Ein Ruhm, der ihm immer unangenehm war.
Auf "Upside down mountain", seinem nunmehr neunten Solo-Album, schreibt Oberst vor allem über Einsamkeit. Es geht ums Bedauern, ums Verletzt- und Versetzwerden, um Verluste und um die Ernüchterung nach dem Platzen großer Hoffnungen. Schonungslos und offen erzählt Oberst. Das geht tief, eben wie ein Berg, der auf dem Kopf steht. Musikalisch findet der thematische Blick in den Abgrund Ausdruck in ruhigen Balladen wie etwa "Double life" oder "Artefact # 1", in denen Oberst mit zittriger Stimme nur zu Gitarre und Keyboard singt. Es gibt aber auch emotionale Ausreißer. Das Rock'n'Roll-Stück "Kick" scheint sich fast zu überschlagen, auf dem Southern Rocker "Governor's Ball" kommen heitere Bläser zum Einsatz. Neu im Oberst-Klang-Kosmos sind die Harmonie-Gesänge, für die das schwedische Folk-Duo First Aid Kit verantwortlich zeichnet. Für den warmen Klang der Platte ist Produzent Jonathan Wilson zuständig.
Ob leise und zart oder brachial und gewaltig: Das gesamte Album ist von einem Country-Geist durchweht, den man von den frühen Bright-Eyes-Werken kennt, den Oberst auf seinen letzten Alben aber zunehmend abgestreift hatte. "Upside down mountain" wurde in Nashville aufgenommen – und der Einfluss der Country-Hochburg spiegelt sich sowohl im Songwriting als auch in den Arrangements wider. Auch die Slige-Gitarre spielt wieder eine tragende Rolle. "Upside down mountain" einen Schritt zurück auf altbekanntes Terrain zu nennen, greift aber zu kurz. Oberst ist gereift als Songwriter. Der jugendlichen Katharsis des Frühwerks ist eine einsetzende Altersweisheit und ein spürbarer Friede gewichen. Oberst steht der Welt mit offenen Armen gegenüber, möge sie ihm manchmal auch noch so weh tun. Die aktuelle Song-Sammlung hat viele starke Momente. Mit den besten Werken seiner Karriere kann es das Album aber nicht ganz aufnehmen. Dafür fehlt hier und da das Feuer, das Oberst in Brand setzt und ihn zu Höchstleistungen peitscht.
Der Ruhm macht aber ihm immer noch zu schaffen. In dem schlimm schönen "Night at lake unknown" singt Oberst über den Klängen eines Vibraphons und einer gezupften Gitarre die Zeilen "Went on the hunt for fame and fortune / Picked up the trail just fine / Everywhere I go the doors fly open / But I want out once I’m inside." Wir sollten ihn also gehen und die Tür angelehnt lassen. Mit etwas Glück kehrt er dann zurück – mit neuen intimen Songs von dort draußen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Zigzagging toward the light
- Night at the lake unknown
- Kick
Tracklist
- Time forgot
- Zigzagging toward the light
- Hundreds of ways
- Artifact # 1
- Lonely at the top
- Enola gay
- Double life
- Kick
- Night at the lake unknown
- You are your mother's child
- Governor's Ball
- Desert island questionnaire
- Common knowledge
Im Forum kommentieren
Enrico Palazzo
2020-02-17 20:18:41
Ich höre grad mal wieder Upside Down Mountain - meines Erachtens seine beste VÖ der letzten 10 Jahre. Von vorne bis hinten einfach toll. Wie schön Hundreds of Ways alleine ist!
humbert humbert
2017-02-22 03:07:57
Alles Gute nachträglich Conor. War zu deinem Geburtstag leider aufm Berg & ohne Empfang.
Herder
2016-02-15 19:56:41
*leicht verkatert nach links nick*
Habe heute auch brav "Lifted" auf dem Nachhauseweg gehört. Alles Gute, Conor!
mispel
2016-02-15 18:41:27
@humbert humbert:
Sinnierst du etwa immer noch dem Konzert in Stuttgart nach? :D
humbert humbert
2016-02-15 16:27:22
Happy Birthday Conor. 2003 Bright Eyes Live werde ich nie vergessen.
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