HTRK - Psychic 9-5 club
Ghostly International / CargoVÖ: 28.03.2014
Nackt abstrakt
HTRK (sprich: "Hate rock") hätten den Kram hinschmeißen können, und es wäre verständlich gewesen: 2010 nahm sich Bassist Sean Stewart das Leben. Die verbliebenen Bandmitglieder Jonnine Standish und Nigel Yang machten aber weiter und stürzten sich in die Arbeit. Folgerichtig hieß das ein Jahr nach dem Todesfall veröffentlichte Album "Work (work, work)" und wurde von Publikum und Kritikern wohlwollend aufgenommen. Die Lücke, die Stewart hinterlassen hatte, füllte die Band konsequent: mit nichts.
Die Musik der zum Duo geschrumpften Band kennzeichnet sich durch zwei bestimmende Faktoren: Reduktion und Langsamkeit. Auch ihr neues Album "Psychic 9-5 club" folgt dieser Prämisse. Basslastig und delaygesättigt bilden zurückhaltende Klangflächen das Fundament, während vereinzelt pluckernde 808-Beats der Schleichfahrt rhythmischen Halt geben. Über all dem Wabern und Klicken schwebt Standishs Stimme, die trotz ihrer offenkundigen Limitierungen unterkühlte Erotik ausstrahlt. Unbeteiligt haucht Standish Zeilen wie "Love is distraction" ins Mikrofon, wieder und wieder. Und sofern man die Stimme primär als Instrument versteht, ergibt dieser Nicht-Gesang im Kontext des HTRK-Sounds absolut Sinn. Die Stücke auf "Psychic 9-5 club" sind weder dynamikgetriebene Tracks noch konventionelle Songs. Vielmehr handelt es sich bei den acht Kompositionen um skelettierte Skizzen, die ihren Reiz vor allem aus den Tönen beziehen, die nicht zu hören sind. Spärlich, spartanisch, abstrakt.
Dennoch verkommt die Musik nie zur reinen Kopfsache. Der Wille zur klanglichen Dekonstruktion mag eher eine intellektuelle Herausforderung sein, die wenigen Zeilen, die Standish raunt, offenbaren aber durchaus, dass sich fühlende Wesen aus Fleisch und Blut hinter der kargen Fassade verstecken. Die Melange aus emotionsbefreitem Vortrag und unter der Oberfläche schlummernden Abgründen kreist zwar manchmal ein wenig zu sehr um sich selbst, verliert sich aber nie in Beliebigkeit. Gerade wenn sich ein wenig Licht ins Dunkel verirrt, entfaltet die Musik faszinierende Schönheit.
Nachzuhören ist dies beispielsweise in dem entrückt dämmernden "Chinatown style", einem beinahe sechsminütigen Wachtraum aus Synthieschlieren und Gesangsfragmenten. "Psychic 9-5 club" ist das perfekte Album für Morgenstunden, die weder Schlaf noch Stille zulassen. Bedeutungen spielen nicht mehr nur zwischen Zeilen, sondern auch zwischen Zuständen keine tragende Rolle mehr. "I'm dying just to be here" wispert Standish im adäquat betitelten "Blue sunshine". Nichts kann so verführerisch sein.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Feels like love
- Chinatown style
- Love is distraction
Tracklist
- Give it up
- Blue sunshine
- Feels like love
- Soul sleep
- Wet dream
- Love is distraction
- Chinatown style
- The body you deserve
Referenzen