Paolo Nutini - Caustic love
WarnerVÖ: 11.04.2014
Woodstock im Schafspelz
Er spielte bereits als Vorgruppe von Led Zeppelin (auf dem Ahmet-Ertegun-Tribute-Concert 2007 in London), seine Soulstimme erinnert an Joe Cocker und seine unverbrauchte Energie projiziert Bilder von ausladenden Jam-Sessions und Impro-Konzerten. Paolo Nutini singt in jeder Lage authentisch, man kauft ihm das raue Musikertum gepaart mit dem Image des lieben Nachbarsjungen ohne Zweifel ab. Er singt direkt aus dem Herzen mit einer unverkennbaren Stimme, die nach 20 Jahren Whisky- und Zigarettenkonsum klingt, die in seiner Gewalt an Größen wie Sting, Janis Joplin und Amy Winehouse erinnert.
Mit seinem dritten Werk, "Caustic love", geht der Schotte den anfangs noch zaghaft eingeschlagenen Weg des Soul laut und konsequent weiter. Sein Sound ist grooviger und gleichzeitig kantiger geworden. Bewusste Ausflüge in die Popwelt, die auf "These streets" noch zum guten Ton gehörten, werden weitestgehend ersetzt durch emotionale Soul-Kracher wie etwa "Scream (Funk my life up)" und "Let me down easy", das im Original von Bettye LaVette aus dem Jahr 1965 stammt. Sein Album speist sich aus Songs, die Sex in Töne packen und den Groove von Rhythm and Blues und Gospel wiederbeleben. Nutini hätte dabei super ins Line-up von Woodstock gepasst: Auch ohne seine Gitarre zu zertrümmern, vermittelt er mit genügend Rotz in der Stimme die Macht von Musik und seine tiefe Liebe zu ihr – ein Gefühl, das Woodstock in allem Ausmaß verkörpert.
Ein gutes Beispiel hierfür ist "Iron sky". Eine verausgabende Hommage, die mit Soul, Kraft und explosiven Streichern scheinbar nicht zu toppen ist. Die ruhigen Anfangstöne könnten dabei noch von Procol Harum stammen, doch dann gewinnt der Track emotional und vokal an Intensität und reicht obendrein ein Orchesterfeuerwerk. Dazu wird eine berühmte Rede eingespielt, die von Freiheit und dem schönen Leben erzählt und mal nicht von Martin Luther King kommt. Es ist die herrlichste Gutmensch-Rede aller Zeiten, die Charlie Chaplin alias der jüdische Friseur in seinem Film "Der große Diktator" von 1940 offenbart. Mit den Worten "…you the people have the power to make this life free and beautiful. To make this life a wonderful adventure. Let us use that power. Let us all unite", trägt Nutini die satte Stimmung von "Iron sky" weiter und hinterfragt später im Songtext die Grenzen von Freiheit im Hier und Jetzt. Ein dramatischer und perfekter Song, der alles kann.
Auch wenn "Caustic love" professionell produziert klingt, bleibt der Eindruck der Improvisation durch Sprechsequenzen oder musikalischen Einlagen zwischen einigen Songs. Details, die ebenfalls an vergangene Zeiten erinnern lassen. Nicht nur deshalb kommt die Assoziation mit Woodstock in den Kopf. Mehr als der Name eines Festivals, steht der Titel für vieles, was in den 1960er Jahren Musik ausmachte. Jene Impulse hat der 27-Jährige auf "Caustic love" aufgenommen und für sich übersetzt. Dadurch gewinnt sein Sound an Größe, die sich jedoch in "Fashion" oder "Someone like you" noch im Schafspelz verheddert. Aber auch kleinere Songs gehören zum Soundtrack von Paolo Nutini. Man kann dem netten Jungen von nebenan einfach nichts übel nehmen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Scream (Funk my life up)
- Let me down easy
- Iron sky
Tracklist
- Scream (Funk my life up)
- Let me down easy
- Bus talk (Interlude)
- One day
- Numpty
- Superfly (Interlude)
- Better man
- Iron sky
- Diana
- Fashion feat. Janelle Monáe
- Looking for something
- Cherry blossom
- Someone like you
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Lichtgestalt
2014-05-05 09:36:32
bitte den Rechtschreibfehler in der Überschrift beheben.
Erledigt.
marmarella
2014-04-29 11:06:41
Erstmal, liebe Redaktion: bitte den Rechtschreibfehler in der Überschrift beheben. Danke!
Da bin ich aber anderer Meinung. Dass Herr Nutini nicht einen Stil einhält war doch klar. Einflüsse aus Motown, Folk und Blues waren zu erwarten weil PN selber Fan dieser Musikrichtungen ist. Was der eine "altbacken" nennt nenne ich, sich von der Masse absetzen und nicht klingen wollen wie andere, die jetzt auf der New-Soul Welle reiten. „One day“ kann ich mir jedoch auch 100% von Amy Winehouse gesungen vorstellen. Bei „Let me down easy“ steht PN Stimme in keinster Weise im Schatten der großen Betty Lavette. Ganz groß und emotional ist der kleine Schotte aber bei Balladen („better man“). Mein Lieblingsstück heißt „Cherry Blossom“ wobei die Gesangsart definitiv an Kings of Leon Sänger Caleb Followill erinnert. Insgesamt eine sehr gute Leistung und Herr Nutini ist definitiv erwachsener geworden. Keine Ahnung, wo er stimmlich noch hin will, wenn er sich von Album zu Album dermaßen steigert. Und live ist er sowieso unfassbar gut und viel viel „rauher“ als auf seinen eingespielten Songs (super Band: the Vipers). Also: hingehen, es gibt noch ein paar Restkarten für Köln, der Rest ist ausverkauft.
0811Jan
2014-04-22 20:58:00
Leider ist nach dem spitzen Opener auch schon schluss mit Funk. Platte ist ok, mag den Stil grundsätzlich, aber es ist mir weitgehend eine Spur zu altbacken. Würde auch gerade so ne 7/10 geben.
marmarella
2014-03-25 12:53:49
Ich kann es gar nicht erwarten, jetzt auch noch Funk von Mac Nutini zu hören. Wenn man an der letzten Platte etwas kritisieren wollte, dann vielleicht das sie zu abwechslungsreich war und der junge Mann noch nicht ganz auf Linie ist. Aber das ist Klagen auf ganz hohem Niveau!
xyz
2014-03-20 14:21:11
1. 'Scream (Funk My Life Up)' 2. 'Let Me Down Easy' 3. 'Bus Talk' (interlude) 4. 'One Day' 5. 'Numpty' 6. 'Superfly' 7. 'Better Man' 8. 'Iron Sky' 9. 'Diana' 10. 'Fashion' 11. 'Looking For Something' 12. 'Cherry Blossom' 13. 'Someone Like You
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