Morten Harket - Brother

Starwatch Entertainment / Sony
VÖ: 11.04.2014
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Ei, Ei, Ei ... Vermorten

Selten sieht man in der Medienwelt Gesichter, denen man die fortwährenden Eiertänze zwischen glitzerndem Business und verschämter Promiskuität einfach nicht anmerkt. Morten Harket hat so eines und singt immer noch so, als sei er gerade eben erst dem kirchlichen Knabenchor entwachsen. Dabei ist das inzwischen viele Jahrzehnte her und die Umtauschfrist für seine impertinent gute Konstitution längst abgelaufen. Nur durch die Zahl von gezeugten Kindern mit wechselnden Lebensabschnittsgefährtinnen lässt sich ablesen, dass er mitnichten ein Kind dieser Traurigkeit gewesen sein kann, von der so viele seiner Schmachtfetzen mit und ohne die Kollegen von A-Ha gehandelt haben. Verwunderlich bleibt dabei allerdings, dass er nicht erst seit deren Auflösung 2010 fortwährend um seine alleinige Reputation als Künstler ringen musste. Und doch schnürt diese mitschwingende Unsicherheit auch "Brother" auf Dauer etwas die Luft ab.

Es ist nicht so, dass da einer ahnungsbefreit am Mikro steht und unablässig bei seinen ebenfalls planlosen Mitmusikern nachfragen muss, ob die vielleicht eine zündende Idee auf der Saite hätten. Ganz und gar nicht. Das Album besticht mit gereifter, üppig ausgestalteter und geruhsamer Popmusik, wie man sie auch von anderen nordeuropäischen Zeitgenossen kennt – und nicht zuletzt von seiner eigenen Band. Hier dürfen die Streicher folglich große Gefühle schluchzen und die Synthesizer dazu im Hintergrund in ihre integrierten Schaltkreise schneuzen, während der Bass verklärt ins Abendrot grummelt und die Gitarre dem gestrichenen Schlagzeug ihre verzagte Aufwartung macht.

Dennoch verbirgt sich der Gevatter der Beliebigkeit hinter mancher Notenecke, zielen diverse noch so tolle Melodieführungen ins unterschwellig Leere. Wenn sich im eröffnenden Titelstück ein zahnsanierter Johnny Cash und die allgegenwärtigen späten Eskobar auf rührige Weise eine gute Nacht in der norwegischen Taiga wünschen, dann vor allem unter der Prämisse, von all diesem schon tausendmal berührt worden zu sein. Nur, dass der von A-Ha eben oft ausgelöste, ganz besondere Zoom!-Effekt hier schmerzlich vermisst wird. Harkets Mitstreiter scheinen einen richtig guten Job zu machen, aber ihr wahres Herzblut lieber nach Feierabend zu versprühen. Und Harket selbst grübelt weiterhin mehr über seine künstlerische Identität nach, als dass er ihnen weiterführende Hinweise geben könnte, das gibt er im Interview unumwunden zu. Von A-Ha weiß er viele Antworten, wie sich tolle Popmusik anhören kann. Die rechte Frage jedoch, wie er alleine an diese Klänge gelangen mag, sie fällt ihm scheinbar nicht ein. Und das macht das Ergebnis nicht so unbeschwert, wie man es sich vielleicht gewünscht hätte.

Besäße die gesamte Platte die mitreißende Eindringlichkeit von "Safe with me", sie bekäme hier locker einen oder zwei Bewertungspunkte mehr. So bleibt zumindest die Einsicht, dass es nicht allein eines großartigen Interpreten bedarf, sondern dass seine Projektionsflächen und kompositorischen Triggerfiguren in der gleichen Liga mitspielen müssen. Was andersrum aus "Brother" keine so bräsige Plastikpop-Nummer macht, wie sie zum Beispiel Agnetha Fältskog im letzten Jahr verbockt hat. Herr Ober, bringen Sie auf die Erkenntnis noch einen Eierlikör.

(Andreas Knöß)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Brother
  • Safe with me

Tracklist

  1. Brother
  2. Do you remember me?
  3. Safe with me
  4. Whispering heart
  5. Heaven cast
  6. There is a place
  7. Oh what a night
  8. End of the line
  9. Can't answer this
  10. First man to the grave
Gesamtspielzeit: 37:52 min

Im Forum kommentieren

gordon got a sting

2014-08-29 19:45:30

freut mich auch, dass jemand das album auch gut findet!^^
ich hoffe, dass harket sich nicht durch die vielen kritiken deprimieren lässt und den spaß und den ehrgeiz für seine musik nicht verliert.
ich zumindest möchte alle seine solo-alben nicht missen.
jedes album hat irgendwie seinen eigenen charme. vorallem "wild seed". ein hervorragendes album. da ist so viel gefühl dahinter, dass es einen schon eiskalt den rücken runterläuft.
hungry ghost: hast du auch die anderen solo alben von morten harket?

The Hungry Ghost

2014-08-29 11:14:41

@gordon got a sting:

Überraschend erfreulich, dass mal jemand ein paar gute Worte zu dem Album verliert. Hatte zunächst erwartet, dass es nicht an die Qualität von a-ha heranreichen wird, wurde aber bereits durch die Single "Brother" positiv überrascht.
Dass es so melancholisch/traurig klingt, kommt dem Album sehr zugute. Finde es auch besser als Harkets vorheriges Soloalbum.

gordon got a sting

2014-08-29 10:54:57

bei diesem album bin ich hin und her gerissen.
mal gefällt mir die melancholie, dann sehne ich mich aber wieder nach ein bisschen mehr dynamik.
für einsteiger definitiv nicht zu empfehlen, weil es kein hitpotential beinhaltet und sehr in sich gekehrt ist. wer wie ich auf sowas steht, ist es großartig und man kann sich richtig in dieser musik verlieren, wie bei dem titel brother. aber ich kann auch die jenigen verstehen, die mit diesem album nichts anfangen kann.
was bei a-ha die melancholie war, wird hier ausgebauscht in fast depressive traurigkeit.
ich denke für a-ha fans definitiv hörbar, genauso wie alle seine solo cds, aber den rest der welt wird dieses album leider verschlossen bleiben.
7/10

Gene Stanley

2014-03-30 00:20:15

Thigh Gap

26.03.2014 - 21:01 Uhr
Rockt härter als Kiss!


Nix rockt härter als Kiss.

Shico

2014-03-27 14:33:44

Erinnert ein bischen an Xavior Naidoo. Gar nicht so übel 6/10

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