Ian Anderson - Homo erraticus

Calliandra / Kscope / Edel
VÖ: 11.04.2014
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Der Flötenbummler

Das ist mal schon eine mittelschwere Sensation: Nach ganzen 42 Jahren greift der verhinderte Lyriker Gerald Bostock endlich wieder selbst zur Feder. Umtriebig war der Mann ja – nachdem sich Bostock als Politiker zur Ruhe gesetzt hatte, verdingte er sich eine Zeit lang als Tourmanager für einen gewissen Ian Anderson, nicht ganz erfolgloser Folk-Rocker. Und während der erforderlichen Pause nach anstrengendem Tour-Leben findet er in einem Antiquitätenladen ein Manuskript eines Amateurhistorikers aus der viktorianischen Zeit, der im Malaria-Fieber überzeugt davon war, über die Weltzeitalter in diversen Inkarnationen die Zeitläufte beobachtet zu haben. Gerald Bostock, nie gehört? Willkommen in der geistigen Welt von Ian Anderson, die mitunter so schrill zu sein scheint wie ein falscher Ton auf der geliebten, einbeinig zu spielenden Querflöte.

Denn natürlich ist Bostock bereits die Fiktion, bekanntermaßen der Held hinter den Alben "Thick as a brick" von 1972 und dessen vor zwei Jahren veröffentlichten zweiten Teil, die Geschichte hinter "Homo erraticus" sozusagen die zweite Ebene der Parabel. Aber auch für eine Legende wie Anderson gilt, dass zuallererst die Musik überzeugen muss. Und als wollte er allen zeigen, dass er noch längst nicht seine Zeit mit Rosenschneiden auf dem heimischen Anwesen verbringen will, setzt er mit "Doggerland" gleich einmal ein Ausrufezeichen. Scharfe Riffs untermauern die im Jahr 7000 vor Christus spielende Szenerie, nur zerrissen durch das gewohnt filigrane Flötenspiel. Dazu singt Anderson bisweilen wie ein Minnesänger. Klingt bizarr, ist aber bei diesem Song ganz einfach folkig angehauchter Progressive Rock der Extraklasse.

Ebenso fein "Enter the uninvited", dass einigermaßen kühn den Bogen von Römern über normannische Invasoren hin zum kritisch hinterfragten übermäßigen Einfluss Amerikas auf die heutige Welt schlägt. Ein etwas weiter gefasstes "We didn't start the fire" sozusagen, nicht an Kritik sparend, aber mit immer gegenwärtigem Augenzwinkern. Auch "The turnpike inn" marschiert entschlossen, zumal das großartige Flötensolo durchaus die ein oder andere Nuance "Locomotive breath" atmet. Und während sich Anderson im Mittelteil, insbesondere bei "New blood, old veins" oder "In for a pound" musikalisch, nicht etwa lyrisch, etwas arg zurücklehnt, gelingt der Schluss durchaus ungewohnt ruppig. Laut Konzept der Ausblick in eine düstere Zukunft, überraschen "The browning of the green" mit harschen Riffs und "Cold dead reckoning" mit einer Düsternis, die vordergründig so gar nicht zu Anderson passen mag.

Natürlich wäre es vermessen, "Homo erraticus" mit den frühen Meilensteinen von Jethro Tull zu vergleichen. Dafür ist Anderson mittlerweile dann doch ruhiger, aber nicht milder geworden, dafür ist seine Stimme mittlerweile zu sehr angekratzt. Und auch der viel zu weich gespülte und jeglicher Kanten beraubte Sound verbietet Erinnerungen an frühere, ungestümere Zeiten. Doch in der Gegenüberstellung zu den letzten Alben, auch zu "Thick as a brick 2" wirkt Ian Anderson frischer, hungriger als noch vor ein paar Jahren. Skurril, spleenig wie eh und je, ist "Homo erraticus" zwar nicht durchgehend brillant, doch in jeglicher Hinsicht ein überaus würdiges Alterswerk.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Doggerland
  • Enter the uninvited
  • The turnpike inn
  • The browning of the green

Tracklist

  1. Doggerland
  2. Heavy metals
  3. Enter the uninvited
  4. Puer ferox adventus
  5. Meliora sequamur
  6. The turnpike inn
  7. The engineer
  8. The pax britannica
  9. Tripudium ad bellum
  10. After these wars
  11. New blood, old veins
  12. In for a pound
  13. The browning of the green
  14. Per errationes ad astra
  15. Cold dead reckoning
Gesamtspielzeit: 51:59 min

Im Forum kommentieren

Herr

2014-04-20 20:57:28

Es sollte der frohgesinnten Diskutantenschaft jedoch der Gedanke anheim reifen, dass eine optionale Kollaboration darin besteht, dass der Ian dem Greg ein frisches hohes C in die Dröhnung flötet.

Ian Anderson

2014-04-18 16:40:28

*hubibubi*

Doc Moody

2014-04-18 16:37:31

@Hogi
Nein, Jakko Jakszyk hat die Platte abgemischt. Von Steven Wilson steht nichts im Booklet.

Zur Platte selbst: Geht durchaus in Ordnung. Das Soundgewand erinnert sehr an TAAB 2. Soll es wahrscheinlich auch, schließlich ist "Gerald Bostock" mal wieder der Schreiber der Texte...

Hogi

2014-04-18 12:43:25

Hat Steve Wilson eigentlich wieder mit gemischt?

sodhan (homo homo errectus)

2014-04-18 00:38:00

Doppelpost, ups.

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