S. Carey - Range of light

Jagjaguwar / Cargo
VÖ: 28.03.2014
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Aus dem Schatten

Und da sage noch mal einer, dass Träume nur Schäume sind und eh nicht in Erfüllung gehen: Sean Carey war, wie viele andere mit ihm, so begeistert von Bon Ivers Debütalbum "For Emma, forever ago", dass er wochenlang nichts anderes hörte und lernte, die Songs bis ins kleinste Detail nachzuspielen. Als er schließlich Justin Vernon begegnete – bis dahin quasi das einzige Bandmitglied von Bon Iver –, war dieser derart angetan von Careys Können, dass er ihn vom Fleck weg für die Band engagierte. Beim selbstbetitelten Nachfolger war Carey als einer von zwei Drummern bereits mit an Bord und ist seither fester Bestandteil von Bon Iver. So schnell kann es gehen. Mit seinem zweiten Soloalbum "Range of light" zeigt er nach seinem folkigen Debüt "All we grow" von 2010 und der experimentelleren "Hoyas"-EP zudem, dass er weitaus mehr drauf hat, als nur den Mann im Hintergrund zu spielen.

"Range of light" holt den Hörer dennoch genau dort ab, wo "All we grow" ihn zuletzt eingeschlossen hatte: auf einer einsamen Hütte in den tiefen Wäldern von Wisconsin, stilecht eingekleidet im karierten Flanellhemd, das die Brust verdeckt, unter der das melancholische Herz schlägt. Klingt zu kitschig, um wirklich gut zu sein? Ist es mitnichten – wie schon der Opener "Glass / Film" beweist, der die Richtung des Albums frühzeitig vorgibt. Mit Glockenspiel bewaffnet startet "Range of light" folkig wie eh und je, nur langsam baut Carey die Instrumentierung auf, schleust klammheimlich ein paar Streicher und das Piano ein, bis sich der Song im letzten Viertel gemütlich ausbreitet und einen warmen Raum schafft, den man so schnell nicht zu verlassen gedenkt. Ein Wiedersehen mit Vernon als Backgroundsänger gibt es im komplexeren "Crown of pines", das merklich davon profitiert, dass Carey nicht nur Multiinstrumentalist, sondern auch studierter Komponist ist: Schicht für Schicht wird hier eine Melodie über die nächste gelegt, bis am Ende alles kaleidoskopartig zu einem gigantischen Klanggemälde verschmilzt.

"Fleeting light" trumpft mit ähnlichen Mitteln auf, wechselt hier und da die Windrichtung und baut sich so ein beinahe psychedelisches Konstrukt, dessen weiteren Verlauf man nur schwer vorhersagen kann. Ein klarer Fortschritt zum im Vergleich eher konservativen "All we grow", auf dem man höchstens erahnen konnte, was Carey wirklich zu schaffen in der Lage ist. So ist "Fire-scene" natürlich nicht einfach nur die Standard-Lagerfeuer-Ballade, sondern die bedrückende traumartige Erzählung eines Mannes, die den Zuhörer ohne großen Aufwand nach Luft schnappen lässt: "All I want is honesty", wiederholt Carey hier zum Schluss, und bevor man sich noch fragen kann, ob die Geschichte gut ausgegangen ist, wird man von der überwältigenden, schlichten Schönheit von "Alpenglow" überrollt, das vom Heiratsantrag an seine Frau und der Erlösung von jeglichem Schmerz durch die Liebe handelt. Bei Bon Iver mag er nur der Mann im Hintergrund sein – die Position im Scheinwerferlicht ganz vorne auf der Bühne beherrscht Carey aber mindestens genauso gut.

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Crown the pines
  • Fire-scene
  • Alpenglow

Tracklist

  1. Glass / Film
  2. Creaking
  3. Crown the pines
  4. Fire-scene
  5. Radiant
  6. Alpenglow
  7. Fleeting light
  8. The dome
  9. Neverending fountain
Gesamtspielzeit: 36:31 min

Im Forum kommentieren

john garcia

2018-03-16 01:50:26

He's so unbelievably underrated.

Cosmig Egg

2014-11-29 22:42:58

ist zwar schon lange her, sollte aber dennoch nicht vergessen werden, bei euren bestenlisten 2014

Lagerfield

2014-05-14 20:53:53

Solo-Alben von Drummern sind immer eine Katastrophe. Dieses hier ist keine Aufnahme.

Mixtape

2014-05-14 20:45:51

Mir gefällt es besser als die Alben von Bon Iver, "Crown the pine" ist vielleicht der Song des Jahres bislang.

Kai

2014-05-14 20:37:38

Mag das Album auch sehr gern

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