Owls - Two

Polyvinyl / Cargo
VÖ: 28.03.2014
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

... und wird stets gebrochen

Dem Œuvre der einstmals sehr geschätzten Math-Rocker Joan Of Arc hinterherzuhören, gleicht, wie man weiß, einem echten Puzzlespiel. Allein die Brüder- und Cousin-Bande rund um Tim, Mike und Nate Kinsella tobt sich bekanntlich noch in allerlei Halb-, Neben- und Soloprojekten aus. Nimmt man nun noch Sam Zurick und Victor Villarreal hinzu, so geht der Count ruckzuck in den zweistelligen Bereich. Will sagen: So flüchtig, krümmungswillig und widerborstig Joan Of Arc ihre Mixtur aus Extrem-Indie und Postrock seit den 1990er Jahren präsentieren, so lose und zugleich treu erschien stets auch der Zusammenhalt der Bandmitglieder. Owls vereint nun Tim und Mike Kinsella sowie Villarreal und Zurick als Neuinkarnation der Emo-Pioniere Cap'n Jazz – allerdings ohne Gitarrist Davey von Bohlen (The Promise Ring, Maritime), der aber mutmaßlich eh nie verstanden hat, was, wie und warum seine Mitspieler da eigentlich mit der Rockformation anstellten. Nichtsdestotrotz waren auch Owls stets vor allem ein Versprechen: und zwar, dass es auch anders geht, bei Joan Of Arc und Kombattanten – harmonischer, unverkramfter, gar etwas kopfloser. "Two" zeigt nun, dass die Hoffnungen auch 13 Jahre nach dem Debütalbum durchaus berechtigt sind.

Denn mit ihrem Zweitwerk stehen Owls in der Tat knietief in jenem Math-Indie-Pop, der zuletzt etwa von Yamon Yamon oder This Town Needs Guns ganz wunderbar bespielt wurde. Doch natürlich waten sie auch mit sehr eigenem Schuhwerk in ihm herum, denn den Kinsellas, einem Villarreal oder Zurick treibt man den Krümmungswillen gewiss nicht einfach so aus. So präsentiert etwa "I'll never be" zwar ein durchaus griffiges Riffing, rüttelt und zerrt aber auch durch die Aneinanderreihung unterschiedlichster Taktarten und allerlei gebrochene Rhythmusfiguren an ihm herum. Und wer schlussendlich glaubt, allein durch die Andeutung straighter Achtelnoten würde sich der Song aus der Mitte heraus in einen befriedeten Nachklapp klären, der bekommt sogleich ein hochgefuzztes Sologeschredder um die Lauschlappen geschlagen. Tja, genau so denken sich Owls ihren Pop: als Andeutung und als Konsequenz, die beide zerbrochen gehören, wo auch immer sie zu machtvoll aufbegehren.

Das ist indes noch kein wirklicher Unterschied zur großen Bruderband Joan Of Arc. Doch Owls teilen mit ihnen letztlich nur die Musiker, weniger die Vision oder auch nur die Herangehensweise. Hörbar wird dieser Unterschied auf "Two" immer dann, wenn Songs wie "The lion" oder "I'm surprised" sowie die hüpfenden Tappings von "This must be how" einen Flow hinbekommen, dem Joan Of Arc mit blitzendem Augenaufschlag sämtliche Extremitäten auf einmal weggebissen hätten. Dazu singt Tim Kinsella mit derselben juvenilen Zerbrochenheit, die er bereits bei Cap'n Jazz gelernt hat. Zugleich aber steckt da nach wie vor eine Menge Kraft in den Lungenflügeln, was Kinsellas Vortrag zu Statement und Markenzeichen zugleich macht – und seine Stimme zu einer der eigentlich interessantesten der 1990er Jahre.

Sein Bruder hingegen beweist auf "Two" mit echter Vehemenz, dass er am Schlagwerk einen sehr eigenen, zugleich aber Genre-gepflegten Stil besitzt – eine Tatsache, die bei seinem Soloprojekt Owen ja nur zu gerne in einem wahren Melodien- und Melancholiemeer untergeht. Auf "Two" hingegen sitzt jeder Wirbel, jedes dazwischengeworfene Stop-And-Go, jeder Jazz-Spleen passgenau drüber, drunter und durch die Akkorde. Ganz wunderbar, wie das alles zugleich klappert und fließt, vor allem auch im Zusammenspiel mit Zuricks Bass, der immer wieder pumpen kann, zumeist aber weitere Spielfiguren und -läufe durch die Songs wirft. Dass Owls darüber hinaus aber durchaus bereit sind, sich locker zu machen, zeigt das abschließende "A drop of blood", das ein klassisches Indie-Riff auf die Viertelnoten schlägt und sich selbst vom erneut sehr fuzzgeladen dazwischenspurtenden Finale nicht davon abbringen lässt. Ansonsten aber spielen Owls auf "Two" mehrfach gebrochenen, zugleich prismischen und sich verkantenen Math-Indie-Pop. Und damit halten sie eindeutig, was sie versprechen.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • I'm surprised
  • The lion
  • It collects itself
  • I'll never be

Tracklist

  1. Four works of art
  2. I'm surprised
  3. The lion
  4. Why oh why
  5. This must be how
  6. Ancient stars seed
  7. It collects itself
  8. I'll never be
  9. Oh no, don't
  10. A drop of blood
Gesamtspielzeit: 38:57 min

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