Findus - Vis a vis

Delikatess / Broken Silence
VÖ: 14.03.2014
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Dosenbier und Langeweile

"Das letzte Mal, als ich Dosenbier getrunken hab, waren wir in Wien, als Support von Kettcar. In Österreich gibt’s ja kein Dosenpfand und dann gab es Halbe-Liter-Dosen im Catering. Wir haben auf der Terrasse ein Dosenstechen gegen Kettcar und die Crew veranstaltet. Das war ein ziemliches Event. Allein deswegen ist Dosenbier schon sehr wichtig für die Bandgeschichte", erklärte Findus-Frontmann Lüam unlängst in einem Interview. Findus kraxeln die Sympathieskala hoch: Das sind coole, vollkommen unverstellte Jungs und jener Hang zum Dosenbier ist auch diesseits der Bühne bestens bekannt. Die neue Platte des norddeutschen Fünfers, "Vis a vis", macht ordentlich was her und ist ihre bisher stärkste.

"Alcatraz" eröffnet das Album mit Indie-Gitarre und asynchron getakteten Drums. "Nie wieder Alcatraz, nie wieder allein" – im Chor feiern Findus ihren Ausbruch aus dem Hochsicherheitsgefängnis und die neu gewonnene Freiheit und kreieren einen Singalong. Mit einem gut getimten Break zur Mitte des Stücks erreicht der Titel einen Moment des Innehaltens, bevor er neue Fahrt aufnimmt. "Hamburg, Du Mörder!", krächzt Lüam anschließend im Titeltrack. Ungewohnt hymnenhaft präsentiert sich der Song und ist bezeichnend für einen neuen, hübschen Pop-Einschlag im Findus-Post-Punk. "Vis-a-vis im Kreisverkehr / Ich seh Dich an und verlasse die Stadt / ... / Langeweile tötet, mir fehlt die Wut", hält die Gruppe der Sesshaftwerdung entgegen, hat das Dosenbier wieder im Anschlag. Trinkend trotzt man dem wahrhaft unrevolutionären Zeitgeist. Ein Track wie ein Brett, angriffslustig, aber feinsinnig lethargisch.

"Ein letzter Gedanke zum Tag" schließt sich den Gedanken von "Vis a vis" an. "Was gibt es zu erzählen? / Außer neue Schuhe, neue Hose und neues Telefon", heißt es da, das Leben erstickt im Konsum, kulminiert in der Langweile. "Mir fehlen jetzt schon all die Sorgen, dass man ständig ficken muss", sang Moritz Krämer auf "Wir können nix dafür". Wo bleibt sonst auch die Spannung in diesem Leben? Auch Findus finden keinen Ausweg aus der langweiligen Sorglosigkeit außer dem Spiel mit der Liebe: "Bis der Eine, der Allerletzte kommt und ich breche mein Herz." Der Song hat Ohrwurmqualitäten wie kein anderer auf "Vis a vis", macht mit fröhlichen Rabatz der Niedergeschlagenheit Luft.

Die Reizlosigkeit einer reizüberfluteten Gesellschaft ist das Leitthema von "Vis a vis". Wie eine Impfung immunisiert der Informationsüberfluss unsere Sinnesorgane gegen die Aufnahme der kleinen, interessanten Dinge. Die Welt liegt im Koma, wird abgespeist mit dem großem Allerlei und verliert das Interesse an dem, was das Leben ausmacht: Es ist doch scheißegal, alles ist so scheißegal. Wenn der Koma-Patient einmal die Augen öffnet und in sich das Aufsteigen dieses Das-kann-doch-nicht-alles-gewesen-sein-Gefühls bemerkt, so schnappe er sich eine Gitarre und halte der komatösen Starre entgegen. Genau das haben Findus getan, das Dosenbier das Übrige.

(Pascal Bremmer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Alcatraz
  • Vis a vis
  • Ein letzter Gedanke zum Tag

Tracklist

  1. Alcatraz
  2. Vis a vis
  3. Nachtwache
  4. Buhmann
  5. Laternenlichterschatten
  6. Fremde Schatten
  7. Ein letzter Gedanke zum Tag
  8. Adam
  9. Geld frisst Stadt
  10. Mondspaziergang
Gesamtspielzeit: 33:02 min

Im Forum kommentieren

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2014-04-07 19:41:00

Super schöne musik

eric

2014-03-25 14:20:53

Die Neue muss ich noch in Gänze anhören... wird ihnen nicht schlecht stehen, der etwas abgewandelte Stil.

Armin

2014-03-25 12:34:28

Frisch rezensiert! Meinungen?

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