
Johnny Cash - Out among the stars
Columbia / SonyVÖ: 21.03.2014
Vorher ist nachher
Es gibt wenige Sätze, die gleichzeitig von treusorgenden Müttern und Plattenfirmenbossen stammen könnten. Dies hier wäre einer: "Räum doch mal wieder auf!" Dieser Aufforderung zu folgen kostet zweifellos Mühe, doch manchmal lohnt sie sich. Da findet sich nämlich – zwischen Socken, die selbst nach Dekaden unter Staub bemerkenswerterweise noch immer nach einem selbst riechen – vielleicht tatsächlich auch Sensationelles wieder: Etwa ein dreißig Jahre lang unveröffentlichtes Album eines Musikers, das noch immer nach reichlich Cash duftet.
Nichts auf der Welt ist dem kommerziellen Erfolg eines Künstlers förderlicher, als sein Tod: Von dieser Regel bleibt auch das Lebenswerk des Johnny Cashs nicht unberührt. Es ist deshalb nicht weiter schlimm, dass die Aufnahmen zu "Out among the stars", die der 2003 Verstorbene der Legende nach höchstpersönlich in der umfangreichen Hinterlassenschaft seines sammelwütigen Vaters entdeckt hat, aus seiner künstlerisch wohl schwächsten, weil unentschlossensten Phase stammen. Auch, dass sie damals möglicherweise vollkommen zu Recht nicht veröffentlicht wurden, ist heute unerheblich. Denn die Lieder, die zu jener Zeit ein mit sich und den Ansprüchen der Plattenfirma hadernder Cash einsang, werden drei Jahrzehnte und sechs "American-Recordings"-Alben später völlig anders wahrgenommen.
Wäre damals der Titelsong vermutlich als Beleg für die fehlende Bereitschaft des Sängers gewertet worden, sich endlich vom Image des jugendlichen pistolenschwingenden Revoluzzers zu emanzipieren, erfährt dieser nun posthum Anerkennung dafür, im Geiste doch stets junggeblieben zu sein. Im hellen Lichte seiner würdigen Alterswerke betrachtet, spazieren auch die Schunkelballade "I came to believe" oder das von einem Kinderchor getragene "Tennessee" heute auf der richtigen Seite jenes schmalen Grates, der zwischen kitschig und berührend liegt. Dass "Out among the stars" in sich keineswegs geschlossen wirkt und munter zwischen Rockabilly mit Stinkefinger-Attitüde, wie in "I drive her out of my mind" und dem seichtem Nashville-Schlager von "Call your mother" changiert, macht es nur authentischer.
Cash wusste damals hörbar nicht, wohin er wollte – und hatte in seinem damaligen Produzenten Billy Sherrill noch nicht den zielsicheren Kompass gefunden, der später Rick Rubin für ihn werden sollte. Doch allein die mitreißende Party, die Cash mit Ehefrau June in "Baby ride easy" feiert, oder "She used to love me a lot", das alle Stärken des großartigen Sängers auf rund drei Minuten Laufzeit konzentriert, heben "Out among the stars" aus dem üblichen Ramsch hervor. Wer als Künstler gerade in der kreativen Sackgasse steckt, könnte sich deshalb durchaus motiviert fühlen, jetzt ein wenig Unordnung in das heimische Archiv zu bringen: Wer weiß schon, was der gefühlte Schrott von heute in dreißig Jahren einmal wert sein wird?
Highlights & Tracklist
Highlights
- Baby ride easy
- She used to love me a lot
- Don't you think it's come our time
Tracklist
- Out among the stars
- Baby ride easy
- She used to love me a lot
- After all
- I'm movin' on
- If i told you who it was
- Call your mother
- I drove her out of my mind
- Tennessee
- Rock and roll shoes
- Don't you think it's come our time
- I came to believe
- She used to love me a lot (JC/EC Version)
Referenzen
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