Beckmann & Band - Bei allem sowieso vielleicht

Electrola / Universal
VÖ: 14.03.2014
Unsere Bewertung: 2/10
2/10
Eure Ø-Bewertung: 3/10
3/10

Abpfiff

Reinhold Beckmann. Ein Name, der einem auf der Lunge zergeht wie zu starker Tobak. Sofern man Kettenraucher ist und Fußballfan dazu. War es doch dieser Beckmann, der alle öffentlich-rechtlichen Sachverständigen für das Thema Bundesliga mit seiner saloppen Art aus dem Stand weggegrätscht hat. Ihm ist die redaktionelle und vor allem rezeptionelle Verflachung eines Phänomens gelungen, das in der Folge erst zum wirklichen Allgemeingut mutierte. Mit den Fernsehformaten Ran und Ranissimo auf Sat.1 trat er der bis dato allmächtigen Sportschau ab 1992 die Beflockung aus dem altertümlichen Trikot. In arg grellen Farben und mit viel Getöse schuf er eine Form von befangener Sportkommentierung, die erst viel später bei Sendern wie DSF/Sport1 oder Premiere/Sky zu wahrem Krawall gedeihen konnte. Und als er sich daran dann gesättigt hatte, tat er jahrelang ähnlich Fragwürdiges mit dem eigentlich vertraulichen Zwiegespräch, wie man es vielleicht noch von mutigen TV-Formaten aus den Dritten Programmen der 1980er Jahre kennt. Es ist schon ein Jammer mit diesem Reinhold Beckmann.

Nun scheint es so, dass sich seine Fernsehkarriere als professionelle Labertüte ihrem Ende zuneigt und er inzwischen die nötige Muße besitzt, über den Sinn der zweiten Halbzeit seines Lebens nachzugrübeln. Man mag es ihm zwar nicht ansehen, aber in den kommenden Jahren macht Beckmann die 60 Platzumrundungen voll. Und da er seiner Familie schließlich genau wie andere Väter nicht 24/7 auf den Senkel gehen will, hat er bei mitfühlenden Musikern aus seinem beruflichen Umfeld Unterschlupf gefunden. Diese versprechen sich wohl mittels des prominenten Namens am Mikrofonständer den längst abgeschriebenen Popularitätsschub. Anders ist diese befremdliche Liaison jedenfalls nicht zu erklären. Kann solch ein Experiment überhaupt gelingen? In diesem Falle jedenfalls kaum.

Immerhin: Beckmann gibt am Mikrofon alles, was ihm vom Fußballgott gegeben wurde. Er säuselt, er murmelt, er salbadert mit brüchig-dünnem Timbre. Nur ist das für einen ernstzunehmenden Sangeskünstler eben viel zu wenig. Ihm fehlt die Authentizität im Ausdruck, er klingt gehemmt, wagt keine Ausbrüche, lässt keinen echten Schmerz zu. Seine Melancholie wirkt schief, die Themen seiner auf den schütteren Leib geschriebenen Lieder hanebüchen, und der Wortwitz kichert allzu bemüht in sich hinein. Obschon seine Band dazu eine Begleitung hinlegt, die sich wild entschlossen in den schummerigsten Ecken deutscher Gegenwartsmusik herumtreibt und einem ihre referentielle Integrität dabei ausgiebig zuzwinkert. Ob es das Vergnügungslokal mit Weinzwang von Felix De Luxe, die kleine Geldwäscherei einer Annett Louisan oder der dreiste Selbstbedienungsladen der späten Jasmin Wagner ist: Die Picknickdecke wird kurzerhand mitten zwischen Bläsergruppe und Rhythmusgerät aufgeschlagen, auf dass der Tanz zu taktisch ausgelatschten Regionalliga-Chansons und Retorten-Swing auch auf bloßen Socken gelingen mag.

Doch der ersehnte Applaus der zitierten Vorbilder von Götz Alsmann, Paul Kuhn bis Herbert Grönemeyer erfolgt nicht einmal mit den Daumen. Es lässt sich aus einem Kunstprodukt per se nämlich kein wirklicher Traditionsverein generieren, das durften in Deutschland schon ganz andere Mäzene schmerzhaft erfahren. Und sogar ein Dr. Markus Merk hätte dieses Geisterspiel wohlweislich längst abgepfiffen. Beckmann, ab auf die Couch, und Ruhe jetzt mit den ewigen Selbstgesprächen.

(Andreas Knöß)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Bremen

Tracklist

  1. Das Beste
  2. Bremen
  3. Charlotte
  4. Sei mein Lächeln
  5. Gangster
  6. Plauderton
  7. Hypochonder
  8. Da sein
  9. Weiter, weiter unterwegs
  10. Dosenbier
  11. Celentano in Stereo
  12. Bei allem sowieso vielleicht
Gesamtspielzeit: 49:50 min

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