Unheilig - Alles hat seine Zeit - Best of 1999-2014

Vertigo Berlin / Universal
VÖ: 14.03.2014
Unsere Bewertung: 2/10
2/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Graf Qual

Ein Gespenst geht um in deutschen Landen - das Gespenst des Betroffenheitsschlagers. Einem ebenso harten, wie von Humorlosigkeit geprägten Leben ausgesetzt, flüchten sich deutsche Musikhörer in die Arme jener Scharlatane, die vor nicht allzu langer Zeit noch von Dieter Thomas Heck angesagt worden wären. Natürlich ist die Zeit der Naivität längst vorbei, auch wenn sich die Zeichen häufen, dass selbst die komplett unironische Version jener Vertonung geistiger Leere wieder mehr Menschen in die Atemlosigkeit treibt.

Aber auch für all jene, die bleiern und schwermütig dem Alter entgegenriestern, ist ausreichend gesorgt, wissen sie doch Unheilig an ihrer Seite. Angesichts einer tristen Gegenwart und einer nur dank Privatinsolvenz erträglichen Zukunft bleibt indessen nur der Blick zurück. Denn wie schon Großmutter zu sagen pflegte: "Alles hat seine Zeit." Geboren, um zu leben und um wunderkerzenschwingend dem Alltag zu entfleuchen, fahren Menschen daher auf Konzerte von Musikern, die in einfachen Worten das wiedergeben, was sowieso jeder denkt und deshalb sicherlich nicht verkehrt sein kann. Es geht nicht um das Gewissen, sondern um dessen Beruhigung: Nicht allein zu sein. Das Leben irgendwie meistern zu können. Doch nicht alles selbst in der Hand zu haben.

Der Verkünder solcher Botschaften muss zweierlei Eigenschaften besitzen: Erstens braucht er eine Stimme, die selbst den plattesten Poesiealbenversen Schwere und Dringlichkeit einhauchen kann. Sonor muss sie sein, zur sanften Schmeichelei ebenso fähig wie zum donnernden Appell. Zweitens benötigt er ein Image, das ihn von seinem Publikum abhebt, ohne ihn seiner Nahbarkeit zu berauben. Ein Sonderling darf er zwar sein, letztlich bleibt er dennoch ein Mann des Volkes. Auch wenn er sich "der Graf" nennt und eine Vorliebe für eher spezielle Barttrachten hegt - der Erfolg der letzten beiden Alben gibt ihm Recht. Hier werden Nerven getroffen und versenkt.

Daher könnte man dem Grafen durchaus dafür gratulieren, dass er nach Jahren halbgarer Nummern zwischen Neuer Deutscher Härte und Wave-Gotik-Kitsch endlich den Mut besaß, mit offenem Visier zu salbadern. Raus aus der Dunkelkammer, rein in den Fernsehgarten. Musikalisch mag das Frühwerk seiner Band minimal risikofreudiger sein als Konsenspampe wie "Lichter der Stadt" oder "Wir sind alle wie eins", textlich bedienen auch die älteren Songs, die es auf die Unheilig-Werkschau "Alles hat seine Zeit - Best of 1999-2014" geschafft haben, die gleichen stumpfen Klischees von Vergänglichkeit, Gemeinsamkeit und Reihenhausromantik. Wenn alles seine Zeit hat, dann hat wohl auch die deutsche Musiklandschaft die Bands, die sie verdient. Das Schlusswort gebührt seiner Durchlaucht: "Nichts ist für immer / Nur für die Ewigkeit." Ein Menetekel.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

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Tracklist

  1. Zeitgeist
  2. Geboren um zu leben
  3. Als wär's das erste Mal
  4. Wir sind alle wie eins
  5. Lichter der Stadt
  6. Wie wir waren
  7. Für immer
  8. Winter
  9. So wie du warst
  10. Unter deiner Flagge
  11. An deiner Seite
  12. Spiegelbild
  13. Freiheit
  14. Sage Ja!
  15. Astronaut
  16. Maschine
  17. Schutzengel
  18. Stark 2012
  19. Rückblende
Gesamtspielzeit: 70:47 min

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