
Joan As Police Woman - The classic
PIAS / Rough TradeVÖ: 07.03.2014
Sie haben eine neue Groovebotschaft
"Special shout-out to Parker Kindred and Tyler Wood, the Sly & Robbie of Brooklyn", steht im Booklet von Joan As Police Womans viertem Album "The classic". Das bedeutet jedoch nicht, dass die Gute nun überraschend eine Reggae-Platte gemacht hätte, denn das kann man nun wirklich nicht behaupten, auch wenn zumindest das sympathische "Ask me" vorsichtig in die Richtung blinzelt. Joan Wasser hat viel mehr ihr auf "The deep field" entdecktes Faible für den Soul mit größtmöglicher Hingabe weiter kultiviert – maßgeblich unterstützt von den erwähnten Herren, deren symbiotisches Zusammenspiel mit ein bisschen Wohlwollen durchaus an das jamaikanische Musiker- und Produzentenduo erinnert. Wood hat dieses Mal sogar als Tontechniker und Co-Producer die Fäden gezogen. Die Hauptverantwortung trug allerdings Wasser selbst, und sie hat natürlich auch alle zehn Stücke im Alleingang geschrieben. Dass aus praktischen Gründen weitgehend im Proberaum aufgenommen wurde, sorgte für einen angenehmen Nebeneffekt: Das neue Werk hat deutlich mehr Live-Energie zu bieten als seine Vorgänger.
Wer ein Album "The classic" nennt, muss sich selbstverständlich einige Fragen gefallen lassen. Wasser beantwortet sie alle mit ihrer Musik und teuflisch grinsender Gelassenheit. Dass die echten Soul-Klassiker dann doch nach wie vor von Marvin Gaye, Aretha Franklin oder Al Green stammen: geschenkt. Denn selbst wenn man bei Memphis nur an Elvis, bei Detroit lediglich an Autos und bei Philadelphia bloß an Frischkäse denkt, wird man in diesen knapp 53 Minuten um eine Erkenntnis nicht umhinkommen: Wasser pflegt eine innige Beziehung zum Soul, ohne dabei in Nostalgie zu versinken. Der Opener "Witness" verschenkt zwischen Marching-Band-Drums, vorlauten Pizzicato-Streichern und pointierten Orgel-Kommentaren buddhistische Weisheiten, während die hervorragende Single "Holy city" mit einem irrwitzigen Scat-Rap von Reggie Watts aufwartet. Jener empfiehlt sich auch im Girl-Group-Doo-Wop des Titeltracks als erstklassige Human Beatbox.
Die Lieder 4 bis 7 fallen zunächst schon durch ihre epische Länge auf, darunter auch "Good together", das die Künstlerin selbst für den gewaltigsten Song des Albums hält. Zu einem schonungslosen und dabei äußerst lasziven Groove wirft sie ihrem Ex-Lover seine glorifizierenden Sentimentalitäten vor und wird im Mittelteil dann doch selbst melancholisch. Das darauffolgende "Get direct" bezeichnet Wasser als ihren Versuch, Barry White zu imitieren. Und auch wenn ihre Stimme kein sonores, bäriges Timbre erreicht, besitzt das Stück doch eine erstaunliche Tiefe und einen Rhythmus, der ganz deutlich Sexuallockstoffe verströmt. "What would you do" ist hingegen vielleicht die beste Wurlitzer-Nummer, die Wasser bislang geschrieben hat – auf jeden Fall die einzige mit Bariton-Saxofon-Coda, gespielt von ihrem alten Antony-&-The-Johnsons-Weggefährten Doug Wieselman. Immerhin eine echte Ballade hat das neue Studiowerk zu bieten: Sie heißt "Stay" und unterstreicht den bleibenden Eindruck, dass "The classic" Wassers bestes Album seit ihrem Debüt "Real life" geworden ist. Oder um es mit Aretha Franklin zu sagen: R-E-S-P-E-C-T.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Witness
- Good together
- Get direct
Tracklist
- Witness
- Holy city
- The classic
- Good together
- Get direct
- What would you do
- New Year's Day
- Shame
- Stay
- Ask me
Im Forum kommentieren
Philipp Mainländer
2014-03-19 22:19:52
Die war schon immer gut. Da kann Anna Calvi was lernen.
Catweazle
2014-03-19 22:18:51
Sehr souliges, großartiges Album, wohl ihr bestes bisher. Werde es mir nächste Woche in Berlin live geben - und freue mich schon riesig! (Anspieltips: Holy City und The Classic)
Armin
2014-03-17 21:58:46
Frisch rezensiert!
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