Bigelf - Into the maelstrom
InsideOut / UniversalVÖ: 28.02.2014
Die Kunst des Zitats
Hamburg, Oktober 2009, "Progressive nation"-Tour mit den Aushängeschildern Dream Theater und Opeth. Während sich das Publikum in der Umbaupause vom hyperaktiven Gewitter der ersten Band Unexpect erholt, geschieht auf der Bühne Erstaunliches: Während Roadie-Trupp Nummer eins mit leichter Hand die Gitarren davonträgt, wuchtet Team Nummer zwei in Mannschaftsstärke mühevoll ein Monstrum von Hammond-Orgel auf die Bretter, flankiert von einer beeindruckenden Backline aus Orange-Verstärkern, die so retro klingen, wie sie aussehen. Und nur kurze Zeit später werden die eben noch grinsenden Fans von einer brutalst lauten Soundwand aus ebenjenem Tasteninstrument und verflucht druckvollem Bass niedergestreckt. Willkommen in der verrückten Welt von Damon Fox, seines Zeichens Frontmann von Bigelf. Ein Mann, für den das Attribut "exzentrisch" dezent untertrieben zu sein scheint.
Zeitsprung ins Jahr 2013. Während der Retro-Rock-Hype tobt, steht Fox als einer der maßgeblichen Mitgründer dieser Welle ohne Band da. Und mit dem ehemaligen Dream-Theater-Drummer Mike Portnoy entpuppt sich ausgerechnet der Mann, der Bigelf seinerzeit auf das Tour-Billing hob, als der größte Motivator für den Frontmann mit dem markanten Zylinder. Zudem übernimmt Portnoy kurzentschlossen direkt selbst den vakanten Posten am Schlagzeug und trägt maßgeblich dazu bei, dass mit "Into the maelstrom" das erste Bigelf-Album seit "Cheat the gallows" entsteht. Und tatsächlich funktioniert die Verbindung zwischen dem eigentlich nicht als sonderlich subtil bekannten Drummer und dem schrillen Frontmann ganz vorzüglich, wie schon die ersten Klänge unter Beweis stellen.
Denn Fox macht genau dort weiter, wo er damals aufgehört hatte. Nämlich mit einem vordergründig wilden Mix aus Psychedelic, Rock, spacigen Soundeffekten und Prog. Spätestens beim starken "Hypersleep" ist die Zeitreise in die Siebziger vollendet. Da trifft Space-Rock der Marke Hawkwind auf bollernde Lo-Fi-Sounds, angefeuert von treibenden Riffs. Und wenn bei "Already gone" die Beatles zu "Sgt. Pepper"-Zeiten grüßen, ist das nicht geklaut, sondern stimmig zitiert. Denn zitieren kann Fox meisterhaft. Ob nun die frühen Queen, Frank Zappa, King Crimson oder eben die Fab Four – das alles ist Eklektizismus vom Feinsten. Und zwar so fein, dass Genesis-Keyboarder Tony Banks beim Intro von "Vertigod" ob der überdeutlichen Anleihe bei "Watcher of the skies" nicht etwa vor Zorn erröten, sondern anerkennend nicken dürfte.
Richtig durchgeknallt wird dann allerdings der acht Minuten lange Brocken "ITM". Ja, das ist tatsächlich ein Mahlstrom, und zwar erneut aus den erwähnten Beigaben. Das Irre daran: Bei jedem Durchlauf findet man neue Einflüsse, neue Facetten, neue Ideen. Das ist natürlich völlig wahnsinnig und kommerziell geisteskrank, aber genau deswegen genial. Freilich könnte man behaupten, dass sich Bigelfs Eigenständigkeit in Grenzen hält, weil die Band ihre Ideen und ihre Inspirationen eben aus unzähligen Quellen zusammenklaubt – dann ist aber genau das die hohe Kunst, die Fox so bravourös beherrscht. "Into the maelstrom" zeigt nicht nur, dass Bigelf zurück im Geschäft sind, sondern auch, dass eine Band, die ihrer Zeit einmal weit voraus war, im Blick zurück ganz vorne ist.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Alien frequency
- The professor & the madman
- Vertigod
- ITM
Tracklist
- Incredible time machine
- Hypersleep
- Already gone
- Alien frequency
- The professor & the madman
- Mr. Harry McQuhae
- Vertigod
- Control freak
- High
- Edge of oblivion
- Theater of dreams
- ITM
Referenzen
Spotify
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Forum
- Bigelf - Cheat the gallows (5 Beiträge / Letzter am 12.11.2020 - 01:04 Uhr)