David Grissom - How it feels to fly

Blue Rose / Soulfood
VÖ: 07.02.2014
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Können statt Seele

Wenn man erst einmal die Rolle eines "Sidekick" innehat, wird es schwer, diesen allerseelenverlassenen Posten zu verlassen. Das gilt auch für David Grissom, den Mann für gewisse Stunden. Nicht so, wie manch eine/r jetzt mit schelmisch rotangelaufenen Bäckchen vielleicht denken mag. Nein. Herr Grissom ist/war anwerbbarer Gitarrist. Und seine Reputation erspielte er sich schon als Jungspund bei bedeutenden Künstlern wie Lucinda Williams, John Mellencamp, Joe Ely oder Chris Isaak. Seine Taktik: trockene Blues-Riffs in bizepsangespannte "no frills/no show"-Lead-Spielerein einmünden zu lassen. Besonders gut hörbar ist das Spiel dieses texanischen Sixstring-Desperados bei den leider nur in Insider-Kreisen versumpften Storyville. Waren gute Leute, mit dem Herz am rechten Fleck. Nur die Initialzündung in Sachen Erfolg blieb aus. Nun gut. Der Saitenmeister hat sich seit der Zeit nicht die Erdnussbutter vom Brot schlecken lassen, trat der holden Bardenzunft bei und versucht sich seitdem im Alleingang an Musik nach privatem Gusto.

Nach dem Ausstieg des eigens angeheuerten Ausnahme-Sängers Malford Milligan trat Mr. Grissom höchstselbst ans Mikro. Das Ergebnis ist mit "How it feels to fly" für Jedermann und Jedefrau zu goutieren. Ob Solo-Album Nummer vier auch Überfliegermusik zum auditiven Abheben ist, bleibt den Hörer/innen selbst überlassen. Was kein Rohrbruch ist, muss noch lange kein Durchbruch sein. Irgendwie hat man es hier mit dem berühmten als Dildo camouflierten Penis zu tun (wie Brian Molko von Placebo es einmal fantastisch formulierte). Würde Grissom nur etwas die Pobacken zusammenpressen, Muckertum mal Muckertum sein lassen und nicht versuchen, altbackenen Blues- meets Heartland-Rock mit Americana-Anleihen auch an die sexuell frustierten Midland-Hausfrauen an den Mann bringen zu wollen, wäre genug Talent im Ofen, um "How it feels to fly" nach mehr klingen zu lassen als den müden Versuch, neben den Hausfrauen noch die waschbärbäuchig-siffigen Drive-Tru-Anhalter mitnehmen zu wollen. Denn "How it feels to fly" ist schlicht so gesetzt, unaufgeregt, auf der sicheren Seite und experimentierfaul, dass die Lautstärke des egal welchen Players im eigenen Wohnzimmer mit Grissoms Beschallungsversuch ganz im unteren Bereich verbleibt. Verbleiben muss. Denn es geht uns doch um den Riot in der eigenen Seele unter dem Radar der Coolness-Polizei und nicht um Ü-50-Vergangenheits-Nostalgie. Aber verdammt noch mal: So alt ist der Mann auch wieder nicht (Jahrgang 1978), wie es seine Musik vermuten lässt.

Mit "Bringin' sunday mornin' to saturday night" holt er auch gleich den Riff-Rock aus dem Gitarrenkasten. Die Party bringt er damit dennoch nicht zum Kochen, auch wenn die Kiste schon ziemlich groovt. Aber mal ehrlich, die Message ist bei Fattaneh Haj Seyed Javadi schöner nachzulesen, wenn sie schreibt, dass der "nächtliche Wein nicht den Morgen der Trunkenheit wert" sei. Diese Weisheit ist in ihrer rohen Wortsubstanz gehaltvoller als Altherren-Rock. Dazu werden neben Southern-Roots-Rock zumeist nur sämige, vollsüffige bluesige, southern-soulige Nummern nach Baukasten-Prinzip aus dem Ärmel geschüttelt, die song-dramaturgisch mehr die haarige Bierplautze beim Sonntagnachmittag-Grillen zum Wackeln bringen als die emotionale Säge in Bewegung, die bis in das Herzinnere eindringt. Neben wundervoll intonierten Slide-Verzierungen wie in "Never came easy to me" oder dem orgelbeschwingten texas-blues-shuffleigen Instrumental "Way Jose" verbleibt beinahe alles auf "How it feels to fly" in Sphären des Mediokren bis hin Egalen. Das ist schlicht nicht genug. Seele statt Können. Das sollte sich Mr. Grissom bei Album fünf als Leitprinzip gefallen lassen.

(Peter Somogyi)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Never came easy to me
  • Way Jose

Tracklist

  1. Bringin' sunday mornin' to saturday night
  2. How it feels to fly
  3. Georgia girl
  4. Never came easy to me
  5. Way Jose
  6. Overnight
  7. Gift of desperation
  8. Satisfied
  9. Jessica (Live)
  10. Way down deep (Live)
  11. Flim flam (Live)
  12. Nasty dogs and funky kings (Live)
Gesamtspielzeit: 63:25 min

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