Young Fathers - Dead

Big Dada / Rough Trade
VÖ: 31.01.2014
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Bis drei

Willkommen zu unserer beliebten Reihe "Verwechslungsfälle im Beatbox-Milieu". Heute mit Alloysius Massaquoi, der gesteht: "Meine Mutter denkt, ich wäre 50 Cent." Das kommt eben davon, wenn man als liberianischer Dreikäsehoch in Edinburgh dauernd in HipHop-Discos für Jugendliche rumhängt. Betrachtet man das Ganze jedoch einmal so differenziert, wie es eher ahnungslose Elternteile meist nicht vermögen, wird schnell klar: Die gute Frau hat Unrecht. Okay: Immerhin weiß sie, was ihr Sohnemann mit dem Nigerianer Kayus Bankole und dem Schotten Graham Hastings in seiner Freizeit so treibt. Aber dass sich die drei unter dem Namen Young Fathers als "psychedelic HipHop boy band" verstehen und schon auf dem "Temporary pleasure"-Album von Simian Mobile Disco auftauchten, würde für die älteren Herrschaften doch etwas zu weit führen.

Von für die vorherige Generation erklärungsbedürftigen Dingen wie Mixtapes einmal ganz abgesehen. Zwei davon namens "Tape one" und "Tape two" veröffentlichten Young Fathers nämlich im Vorfeld zu ihrem Longplay-Debüt – bis drei zählen können die kleinen Racker also vermutlich auch. Und mehr noch: Ihre Tracks kennen sich einerseits mit scharfen bis angepissten Raps und ungemütlichem Gepolter aus, fummeln andererseits aber auch mit allerlei schrägen Sounds, verqueren Strukturen und vielen anderen Dingen herum, die im HipHop ansonsten so nicht vorkommen. Wie schon zuvor muss sich der Hörer auch bei "Dead" auf einiges gefasst machen: auf zerrende Industrial-Versatzstücke, absonderliche Stimm-Modulationen und im verspätet, aber dafür umso eindringlicher rummsenden Opener "No way" sogar auf eine zerhackte Quetschkommode.

Hat sich demnach was mit handelsüblichem B-Boy-Gepose und dicker Hose, die vorzugsweise bis in die Kniekehlen hängt. Denn obwohl auch Young Fathers nicht darum herumkommen, die AK-47 zu schwingen, immer mal wieder ein verächtliches "motherfucker" einstreuen und öfters im Stile von Cypress Hills Ober-Knäkente B-Real näseln, kommt es auf andere Dinge an. Zum Beispiel auf die böse Kriechstrom-Keyboardmelodie im unterschwellig unheilvollen "Just another bullet" oder auf den hopsenden Donnerbalken "Low", den das Trio mit den gleichen verhallten Glöckchen aufbricht wie seinerzeit Liars ihr "It fit when I was a kid". Eine Aufforderung wie "Get up" sitzt natürlich auch drin – vor allem, wenn daraus ein so tumultöser Upbeat-Kracher wird wie hier. Schließlich muss nicht jeder, der an OutKast denkt, auch gleich "Hey ya!" brühlen. Äh, brüllen.

Eine bewusste Verweigerung von Eingängigkeit also, in der gleichzeitig Young Fathers' Stärke und Schwäche liegt. Denn so sehr die drei auch Hörgewohnheiten durchrütteln – ständig hat man das Gefühl, sie wollten noch einen komischen Effekt und noch einen Mittelfinger an bestehende Konventionen draufsetzen. Und dabei vergessen sie zuweilen etwas, um das es auch im HipHop gehen sollte: den einfachen, guten Song, wie er sich mit dem wunderbaren Schleicher "Romance" etwa auf "Tape one" befand. Zwar ist "Dead" ein nicht zu überhörendes Messer im Arsch der drohenden Genre-Langeweile – ab und zu dürften sich Young Fathers aber auch einmal die Ruhe antun. Oder wie Massaquois Mutter es anlässlich von "Am I not your boy" ausdrücken würde: "Junge, schling doch nicht immer so. Du kriegst auch 50 Cent." Eltern – einfach unbelehrbar.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • No way
  • Low
  • Get up
  • Am I not your boy

Tracklist

  1. No way
  2. Low
  3. Just another bullet
  4. War
  5. Get up
  6. Dip
  7. Paying
  8. Mmmh mmmh
  9. Hangman
  10. Am I not your boy
  11. I've arrived
Gesamtspielzeit: 34:36 min

Im Forum kommentieren

captain kidd

2014-10-30 07:40:45

hat den mercury prize gewonnen. mal wieder reinhören. bei hip hop war dieses jahr ja nicht so viel los.

Soup

2014-04-26 17:54:08

Hat mich am Ende auch nicht überzeugt, obwohl ich die beiden EPs sehr mochte. Das Ratking-Album ist da schon besser.

The MACHINA of God

2014-04-26 16:55:38

So, jetzt mal durchgehört. KLingt ganz interessant ohne mich jetzt gleich richtig wegzukloppen. Mir manchmal bisschen zu... weiß nicht so recht ein Wort dafür. Irgendwas stört mich manchmal an den Melodien.

Soup

2014-04-26 16:46:57

Nee, mit Dälek hat das eher wenig gemein.

The MACHINA of God

2014-04-26 11:54:02

WUrde mir mehrfach empfohlen. Bald mal reinhören. Gehts auch bisschen Richtung Dälek?

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