Wild Beasts - Present tense
Domino / GoodToGoVÖ: 21.02.2014
Synthiemacy
Manchmal tut ein kleines Päuschen gut. Endlich einmal ausschlafen, ausgiebig frühstücken, sich mit Leuten treffen, die man ewig nicht mehr gesehen hat. Über alles nachdenken, außer über den ganzen Stress, den Alltag, den Druck. Seine Freizeit nach Belieben gestalten, statt sie um verschiedenste Verpflichtungen herum planen zu müssen. Zeit zum Verschnaufen statt Angst vorm Versagen, weil die Zeit für alles zu knapp ist. Die Briten von Wild Beasts hatte eine solche Pause ebenfalls bitter nötig, haben sie seit 2008 doch quasi Akkordarbeit geleistet und drei Alben veröffentlicht, die bei Kritik und Hörerschaft gleichermaßen für Begeisterung sorgten. Nach ihrem letzten Werk "Smother" und der dazugehörigen Tour nahm sich die Band eine einjährige Auszeit, um danach gemeinsam mit den Produzenten Leo Abrahams (Imogen Heap, Brian Eno) und Alex "Lexxx" Droomgoole, der schon an den beiden vorherigen Werken beim Abmischen beteiligt war, an ihrem neuen Sound zu feilen. Und siehe da: "Present tense" geht den Weg des Vorgängers konsequent weiter und zeigt sich bereits zu Anfang als widerspenstiges Elektromonster.
"Don't confuse me with someone who gives a fuck", heißt es schon in der ersten Single "Wanderlust", die ebenfalls als Opener dient und die Fronten recht schnell und mehr als deutlich klärt. Hayden Thorpes Gesang schwingt sich in den Gehörgang, während das monotone Schlagzeug einen Machtkampf mit den Synthesizern austrägt, den keiner von beiden gewinnen kann. Auf Gitarren verzichten Wild Beasts hier und haben sie auch nicht nötig, und wenn sich nach gut zweieinhalb Minuten plötzlich wie auf Knopfdruck die aggressive Ansage in ein traumwandlerisches Manifest verwandelt, ist man schon längst drin in "Present tense". Einen poppigeren, aber nicht minder intensiven Eindruck hinterlässt das druckvolle "Sweet spot", in dem sich das Quartett grandios als Einheit inszeniert, die ihre Bestimmung gefunden hat: "Between the hurt and the tender song / Between the flesh and the thunderstruck / There is a godless state / Where the real and the dream may consummate". Der Grat zwischen Traum und Albtraum ist bei Wild Beasts oft ein schmaler, aber die Intimität, die sie mit scheinbar wenigen Mitteln schaffen, vermittelt auch in düsteren Stunden ein niemals endendes Gemeinschaftsgefühl.
In "Mecca" steht Thorpes glockenhelle Stimme einmal mehr im Kontrast zur kraftvoll-finsteren Instrumentierung, während die Bridge in der zweiten Hälfte mit zu den besten Momenten auf "Present tense" gehört und der Refrain sich nachhaltig im Kopf festsetzt. Etwas reduzierter gibt sich "Past perfect" mit seiner tröpfchenartigen Melodie, und im beinahe souligen "A simple beautiful truth" umspielen Thorpes Falsetto und Tom Flemings Bariton einander wie zwei Tänzer, deren Hüften sich höchstens streifen, aber nie aneinander reiben, bis die Spannung zu bersten droht. "New life" hingehen steigt tief in die Abgründe der menschlichen Seele, baut sich nur langsam und zaghaft auf, lässt dann aber nur ein kurzes Aufbäumen zu und zieht sich kurz vor der Explosion wieder zurück – auch das gehört seit jeher zum Spiel von Wild Beasts. Und auch wenn sie von ihrem früheren Sound mittlerweile weit entfernt sind, lässt sich auf der New-Wave-artigen Zielgeraden mit "Palace" nur schwer ein tiefes, glückliches Ausatmen verkneifen. Pause? Ja, aber bitte nur eine kurze.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Mecca
- Sweet spot
- A simple beautiful truth
- Past perfect
Tracklist
- Wanderlust
- Nature boy
- Mecca
- Sweet spot
- Daughters
- Pregnant pause
- A simple beautiful truth
- A dog's life
- Past perfect
- New life
- Palace
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saihttam
2015-01-08 01:37:26
Das ist schon irgendwie ein klasse Album. Auch wenn viele Songs an sich vielleicht nicht sonderlich herausstechen, nimmt es mich über Albumlänge doch sehr gefangen. Hat sich dementsprechend dann auch doch ziemlich weit vorne in meiner Jahresliste platziert. Das Konzert im Sommer im beschaulichen Weinheim war auch sehr toll und schön intim. Das war wohl auch ein Faktor dafür, dass ich das Album so oft gehört habe.
BadaBing
2015-01-07 22:00:24
Gerade dank des Jahrespolls auf "Wanderlust" aufmerksam geworden. Sehr, sehr nice!
saihttam
2014-07-16 00:01:57
Gutes Album! Die Songs von Tom Fleming kicken mich allerdings diesmal nicht so sehr. Das war auf den vorherigen Alben noch anders. Am 19.8. übrigens live in Weinheim zu sehen.
Hier stand ihre Werbung
2014-07-02 10:14:17
Höre das gerade zum ersten Mal und bin doch sehr angetan. Sehr schönes Album, passt zum gerade etwas grauen Sommer. Die Referenzen finde ich mitunter allerdings etwas seltsam. Django Django haben doch deutlich mehr Wumms hinter ihren Songs. Dann eher When Saints Go Machine aufnehmen und noch eine Band, die mir gerade nicht einfällt...
Stephan
2014-03-06 20:39:46
8/10 ist es bei mir (noch) nicht ganz. Gefällt aber durchaus. Highlights sind aktuell "Wanderlust", "Mecca" und vor allen Dingen "A dog's life".
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