Matula - Auf allen Festen

Zeitstrafe / Cargo
VÖ: 21.02.2014
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Rastlos rebelliert

Die achtziger Jahre waren doch gar nicht so schlecht. Kann man ja mal drüber reden. Auch ohne kulturelle Retorten-Formate wie die "RTL-Chartshow". Und selbst, wenn man die Musik von New Order, The Cure oder The Smiths erst später entdeckt hat, bleibt TV-Kult aus dieser Zeit wie "Tutti Frutti", "Knight Rider" oder "Das A-Team" bis heute in lebhafter Erinnerung. Klar, auch der Krimifreitag im Zweiten gehörte dazu. "Aktenzeichen XY ungelöst","Der Alte", "Derrick" samt seinem Chauffeur Harry. Und natürlich auch "Ein Fall für zwei" mit dem nimmermüden Privatdetektiv Josef Matula. Speziell sein unnachahmlicher Becker-Hecht durch das herunterstürzende Garagentor bleibt unvergessen.

Freunde kratzbürstiger Musik mit deutschen Texten verbinden Matula eher mit Punkrock aus dem hohen Norden denn mit dem Alfa Romeo fahrenden Mini-Macho vom Main. Natürlich hört auch keiner der vier Bandmitglieder auf den Namen Harry – und doch fahren sie hin und wieder den Wagen vor. Nämlich immer dann, wenn die Band mit ihrem nachdenklich-kritischen Liedgut quer durchs Land reist. Und das keineswegs erst seit gestern. Getreu dem Motto "Gründet eine Band und fahrt los!" und nach mehr als 250 Konzerten – viele davon gemeinsam mit den Hamburger Kumpels von Captain Planet – ist "Auf allen Festen" schon das dritte Album der Mannen aus Norddeutschland. Und es ist ziemlich gut geworden.

Damals im ZDF ging es den Verbrechern an den Kragen, auf dieser Platte vielmehr weiten Teilen der Gesellschaft. In der Glotze flogen Munition und Fäuste, hier sind die Worte die Waffen. Auch, wenn vieles grau und aussichtslos erscheint – darüber reden sollte man sehr wohl. Gleich im Titelstück nehmen Matula die vielen Selbstdarsteller in unserer von Geltungswahn bestimmten Zeit ins Visier: "Hier regiert dein Anspruch / Verlässt gesunde Wege / Wenn du an etwas glaubst, dann 24/7". Aus der Sicht derer, die mehr resignieren als agieren und vom Alltagsstrom unfreiwillig mitgerissen werden, erzählt "Schwarzweißfotos" so: "In Welten eingezwängt / In denen man mitmacht / Hat man Dir erzählt / Dass es auch anders geht / Doch Du zweifelst weiter / Denn das steht Dir so gut." Erträglich ist der Trott höchstens noch in der Stammkneipe oder beim Versacken im Club, mit "Bier für 1,50 €" und "Liedern, die Du liebst / Damit es weitergeht." Zumindest noch den nächsten Tag überstehen, appelliert "Für ein Leben". Denn schon bald wieder "klappt der Bordstein hoch", und "die Tagesschau faselt was von Aufschwung."

Matula proklamieren die Ablehnung und dabei zugleich das Wagnis, bewusst mit den Niederlagen zu leben – und sind spätestens jetzt im Geiste der so vermissten Muff Potter. Seitenhiebe verteilen sie allerorten, nicht nur hinter den "härtesten Mauern der Stadt": "Dein Handtuch könn‘ sie kriegen / Du bleibst ein Mensch / Und die verlieren / Du hast ein Leben / Ohne falschen Stolz / Und was hier falsch läuft / Wissen die doch nicht!" "Auf allen Festen" ist eine ernüchternd-leidenschaftliche Bestandsaufnahme des Seins abseits des Stroms. Und verharrt dabei in der bittersüßen Atmosphäre zwischen Auflehnung und dem Sich-damit-Abfinden. Und dann gönnen Matula sich und uns noch "Drei Minuten" zum Durchschnaufen und Nachdenken – und für eine letzte Nachricht. Tut euch Leid? Nicht doch. Gut, dass jemand drüber redet.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Auf allen Festen
  • Schwarzweißfotos
  • Kolumbus
  • Drei Minuten

Tracklist

  1. Tapete
  2. Auf allen Festen
  3. Schwarzweißfotos
  4. Monstrum
  5. Der Makler
  6. Paraden
  7. Für ein Leben
  8. Kolumbus
  9. In einem Krieg
  10. Die härtesten Türen der Stadt
  11. Drei Minuten
Gesamtspielzeit: 36:11 min

Im Forum kommentieren

G BVG vb

2018-08-16 17:56:12

“ Etwa auf dem Niveau von Broilers und Haudegen, aber noch kontroverser." Ich glaube dieser Satz wird der Band nicht gefallen.

S.v.K.

2015-10-17 01:14:18

hab vor, heute in stgt hinzugehen und finde es eigentlich bei den meisten bands ganz angenehm, wenn sie nicht länger als eine stunde spielen. so viele superhits haben matula ja nun auch nicht.

matrulla

2015-10-16 23:19:50

gestern in berlin. war ganz cool, vor allem drei minuten als letzter song reißt natürlich gut was raus. aber inkl. 2 zugaben nur'n bisschen was über 50 minuten spielzeit fand ich schon krass/frech. da geht aber noch was in richtung punk attitüde... ein bitterer nachgeschmack bleibt.

MartinS

2014-02-23 06:23:52

@Ich kann es nicht mehr hören.:

Nu, Schrappmesser sind schon witzig, aber die betonen auch nix, sondern schreien nur rum.
Ist übrigens der Ingo von den Donots, der da den Brüllwürfel gibt.

Wolfgang Joop

2014-02-21 13:52:31

Supercute 2014, the year Schwachsinn broke.

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