KMPFSPRT - Jugend mutiert

Uncle M / Cargo
VÖ: 31.01.2014
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Dickehosepunk

Lederjacke, Gangsta-Mütze und drei komische Kreuze auf dem Cover? "Jugend mutiert"? Und dann noch diese unlesbaren Großbuchstaben? Der emsige Einsortierer an der Großmarkt-CD-Theke könnte in Versuchung geraten, dieses Album unter dem Etikett "Gangsta-Rap" zu verorten. Fünfe gerade – denn weil Geiz bekanntlich geil ist, bleibt zwischen all den meterhohen Tonträgerstapeln oft nur der schnelle Blick. Doch so übertrieben ernst, wie diese Platte optisch anmutet, nimmt die Band dahinter sich kaum. Und das ist gut so. Okay, KMPFSPRT aus Köln geben sich offensichtlich nicht gerne mit Vokalen ab, aber haben mit HipHop genausowenig am Hut wie mit der typischen Mentalität der rheinischen Metropole. Doch ein bisschen Selbstironie und die sechs guten Songs ersten EP "Das ist doch kein Name für 'ne Band" reichten schon, um sich nicht nur in der Domstadt, sondern auch in so mancher Festival-Hochburg einen, nun ja, Namen zu machen.

Kein Wunder, packen KMPFSPRT doch gleich sämtliche Idole der Punkrock-Szene beim Schopfe – ob altgedient oder noch frisch – und setzen ihren musikalischen Stempel gekonnt zwischen die feinen Referenzen. Das klingt dann mitunter so, als wenn Lieblings-Whiskybarde Chuck Ragan den guten Nagel mit seiner Muff-Potter-Bande und den Neo-Reibeisen Title Fight auf der Domplatte versammelt, und die komplette Mannschaft dort eine Punkrock-Party schmeißt. Natürlich werden dort keine Jeck-kompatiblen Schunkelorgien abgehalten, sondern Bierkisten gestemmt und Mittelfinger in die Höhe gereckt. Textlich hieven KMPFSPRT – zwei der vier waren früher unter anderem bei Fire In The Attic und Days In Grief aktiv – ihr Debüt zwar nicht in besonders ambitionierte Sphären, entlocken dem Hörer aber immer mal wieder ein Schmunzeln oder Kopfnicken, sodass "Jugend mutiert" eine kurzweilige Angelegenheit geworden ist.

Etwa, wenn "All my friends are dads" nebst Turbonegro-Hommage und subtiler Spießerkritik mal eben das neue Feindbild abwatscht – nämlich den Makler im gläsernen Büro nebenan. Wenn "Halt. Nein. Anders" mit Zeilen wie "Die Bahn öffnet die Türen / Und kotzt die Leute aus" den täglichen Trott und den wachsenden Groll über heutige Leistungsanforderungen zuspitzt. Wenn "Gute Reise" den nächsten Egozentriker und Falschverstandenen nach Berlin schickt oder vermeintliche Fähnchen-im-Wind-Fans in "Musikdienstverweigerer" schon im Vorfeld den Laufpass erteilt bekommen. Lautstarkes Anprangern des gesellschaftlichen Ganzen überall – da wettert "Am Ende hell" mit den Worten "Hass in den Köpfen und Angst in den Händen" gegen Neo-Nationalismus und prangert Doppelmoral sowie wachsende soziale Gefälle an. "Die Menschen aufgeteilt", hinter "turmhohen Mauern" – die einen in großer Sorge vor dem "Essen im Müll", die anderen eher "um den Müll in unserem Essen".

Klingt alles ein bisschen konstruiert? Vielleicht, aber es funktioniert. Wobei manchmal auch Luft nach oben ist. Zum einen gehen KMPFSPRT in der zweiten Albumhälfte langsam aber sicher die guten Ideen aus, zum anderen wurde "Jugend mutiert" unterm Strich mit einer allzu stattlichen Produktion versehen, die auch im Jahre 2014 ein wenig zu dickhosig wirkt. Soll heißen: Beim nächsten Mal ist weniger Regler aufdrehen vielleicht mehr. Das sollte KMPFSPRT aber nicht daran hindern, mit guten Bekannten wie Pascow, Marathonmann, Turbostaat oder Captain Planet in Zukunft lange Nächte an noch längeren Theken zu verbringen. Denn mit Gleichgesinnten und den passenden Getränken lassen sich Alltag und Einsamkeit bekanntlich am besten vergessen: "So wie jedes Mal, heißt das Wort zum Sonntag: "Schade!" / Das Wort zum Freitag: "Bier!" / Und das Wort zum Samstag: "Kater!"" Fünfe gerade. Und prost!

(Eric Meyer)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Am Ende hell
  • Musikdienstverweigerer (feat. Felix / Frau Potz)
  • Atheist

Tracklist

  1. Nachtsicht
  2. All my friends are dads
  3. Am Ende hell
  4. Halt. Nein. Anders.
  5. Musikdienstverweigerer (feat. Felix / Frau Potz)
  6. Atheist
  7. Theorie der guten Chance
  8. Keiner von Millionen
  9. Unter Kannibalen
  10. Herzattack-ack-ack
  11. Gute Reise
Gesamtspielzeit: 36:14 min

Im Forum kommentieren

S.v.K.

2014-02-08 14:32:16

thanks!

Delirium

2014-02-07 09:15:19

Alle Texte sind dabei.

S.v.K.

2014-02-06 20:39:07

sehr gutes album. weisz jemand ob texte im booklet sind? bin am ueberlegen, ob ichs mir digital oder physisch kaufen soll...

Delirium

2014-02-04 12:37:36

Neues Video zum Song "Atheist".

Delirium

2014-02-03 11:56:02

"Bodenständige" Punkrockplatte ohne irgendwelchen Bullshit - sympathisch, spontan eingängig, nervenschonend, mit erträglichem Gesang, hübschen Liedern, netten Texten. Insgesamt also... ähem... etwas öde. Zudem nervt bei einigen Songs die leicht penetrant raustrompetete Refrain-Seligkeit und weckt dann ungute Assoziationen an die Deutschrock-Punks aus den weiter unten liegenden Schubladen. Den teilweise enthusiastischen Besprechungen kann ich deshalb zwar nicht ganz folgen, aber insgesamt ist das schon ein nettes Album. Live bestimmt über jede Kritik erhaben.

Momentane Highlights: Nachtsicht, All My Friends Are Dads, Unter Kanibalen

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Threads im Forum