I Break Horses - Chiaroscuro
Bella Union / [PIAS] Cooperative / Rough TradeVÖ: 17.01.2014
Steile Antithese
SOKO Leipzig oder Dschungelcamp? Schampus oder Lachsfisch? Pitchfork oder Plattentests.de? Immer diese Entscheidungen. (Okay, zumindest letztere dürfte nicht allzu schwierig sein.) Die gute Nachricht: Manchmal muss man sich gar nicht unbedingt festlegen. Auch hell und dunkel können friedlich koexistieren, wie das zweite Album der Schweden I Break Horses beweist. "Chiaroscuro" lautet nämlich das italienische Kofferwort für ein künstlerisches Gestaltungsmittel, das Kontraste schafft. Und auch in der Musik gebräuchlich ist, wie Kollege Holtmann unlängst in seiner Würdigung der schottischen Post-Rocker Mogwai demonstrierte. Und bereits auf "Hearts" hatte der Sound des Duos nicht das Geringste mit Bill Callahans (Smog) gemein, von dem sich Maria Lindén und Fredrik Balck einen Songtitel als Bandnamen ausgeliehen hatten.
Zwar steigen auch aus "Chiaroscuro" dichte Wolken und süßlicher Nebel auf – doch das war es schon mit den Parallelen. Inzwischen haben I Break Horses fast alle säurehaltigen Gitarren aus ihren Songs eliminiert, die das Debüt noch in die Nähe von Shoegaze rückten, wie man ihn kennt. Die so entstandenen Leerstellen füllt Lindén nun mit sirenigen Keyboards, bange bis roh pluckernden Drummachines und ihrer traumhaft entschwebenden Stimme auf – eine gewisse Tendenz zum Käsigen bei den offensichtlicheren Hofknicksen Richtung achtziger Jahre ist da nicht immer ausgeschlossen. Wie bei den meisten anderen weiblich gefronteten Acts aus Chillwave und entrücktem Synthie-Pop auch. Doch in den köstlichsten Momenten dieses Albums sind solche Begriffe ohnehin längst in Schall und Rausch aufgegangen.
Zu eindringlich schlängelt sich direkt der Auftakt ins Gefühlszentrum. Flackernde Neon-Elektronik und schwerblütige Pianotupfer tapsen eine kleine, ergreifende Melodie zurecht, Lindéns Hauchen verhallt in purem Wohlgefallen, und eine monotone Sequenz variiert Planningtorocks "Doorway" mit menschlichem Antlitz, aber ohne enormen Riechkolben. Und während "You burn" fürs Vorglühen zuständig ist, fühlt sich der Hörer nicht zuständig, sondern ständig zu – hier ausnahmsweise eine erstrebenswerte Befindlichkeit. Vor allem, wenn "Faith" mit grobmotorischen Zuckungen aus dem analogen Maschinenpark auf die imaginäre Tanzfläche führt und genau wie das strahlende "Denial" unablässig an den Filterreglern schraubt, um die sirrenden elektronischen Flächen wie in einem Zerrspiegel zu verschieben.
Was man hier hört, hat zuweilen also wenig mit der Realität zu tun – ein Glück, dass das I Break Horses herzlich egal ist. Ständig führt der Glanz von Lindéns Gesang blitzblanke Harmonien und düster rumpelnde Bässe an der Nase herum, und alles zusammen bildet eine Antithese, deren Protagonisten sich trotz scheinbarer Differenzen bald in den Armen liegen. "Ascension" imaginiert eine sternenbestäubte Himmelfahrt im Sinne von M83 ohne Charts im Hinterkopf, und das fabelhafte "Weigh true words" funktioniert in ähnlichem Stakkato wie Portisheads "Machine gun" – nur dass die Wumme grünliche Seifenblasen um sich feuert, die bald mit delikatem Ploppen über den Möbeln zerplatzen. Man würde sie ja wegwischen – wenn man sich nur rühren könnte. Immer diese Entscheidungen: I Break Horses oder I Break Horses? Ist doch manchmal ganz einfach.
Highlights & Tracklist
Highlights
- You burn
- Faith
- Weigh true words
Tracklist
- You burn
- Faith
- Ascension
- Denial
- Berceuse
- Medicine brush
- Disclosure
- Weigh true words
- Heart to know
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Desare Nezitic
2015-01-25 05:02:14
Empfehlungen...hm, schwierig. Ehrlich gesagt hatte ich bis auf Röyksopp und auch Fever Ray kaum wirkliche Anknüpfungspunkte. Was vielleicht auch ein Grund ist, warum es mir so gut gefällt.
Dielemma
2015-01-24 23:09:27
ziemliches Brett die Scheibe, gibt's mehr Empfehlungen in die Richtung?
Dielemma
2015-01-24 13:28:13
Klar kann man das mit Royksopp oder auch Fever Ray vergleichen, aber ich mochte das neue (poppigere) Royksopp Album sehr und an Fever Ray kommt in der Sparte sowieso nichts ran.
Desare Nezitic
2015-01-23 23:20:32
Fand schon, dass es stellenweise ein weing nach Röyksopp klingt und auch besser. Aber da bin ich klar in der Minderheit.
Dielemma
2015-01-23 22:17:04
warst wahrscheinlich du, auch wenn ich den Kommentar ala viel besser als Röyksopp ziemlich fehlplatziert fand, hat mich der Vergleich aufmerksam gemacht.
Sehr homogenes Album mit einigen sehr guten Songs, braucht aber noch paar Durchläufe.
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