Dum Dum Girls - Too true
Sub Pop / CargoVÖ: 31.01.2014
Spieglein, Spieglein
Es muss vor langer Zeit gewesen sein, da sagte irgendjemand mal etwas, das sich bis in alle Ewigkeit in der großen Weisheiten-Top-10 etablieren sollte: "Never judge a book by its cover", ein wahrlich guter Hinweis: Be- oder verurteile Dinge und Personen niemals nach ihrem äußeren Erscheinungsbild. Genug aus Omas Ratschlag-Kiste? Wir hören ja schon auf. Jedoch ist es außerordentlich wichtig, eben genau diesen Satz im Hinterkopf zu behalten, wenn man "Too true", das dritte Album der kalifornischen Indie-Popper Dum Dum Girls, zum ersten Mal in den Händen hält. Dessen Cover ist jetzt nicht unbedingt das hässlichste des Jahrzehnts, erweckt jedoch einen falschen Eindruck. Sängerin Dee Dee Penny sieht darauf ein bisschen aus wie Miley Cyrus auf ihrem letzten Versuch, sich mit möglichst vielen Mitteln in die Charts zu bombardieren, ohne dabei den Fokus zu sehr auf die Musik zu legen.
Dabei wissen die vier Damen es natürlich viel besser, und so gehört nicht nur das Artwork von "Too true", sondern die gesamte PR-Abwicklung zu einem Konzept, welches unter anderem von Nick Cave inspiriert wurde, der 1996 eine Absage an MTV erteilte und darum bat, dass seine Nominierung als Best Male Artist zu streichen sei. Das Schreiben, in dem unter anderem der mittlerweile legendäre Satz "My muse is not a horse" fiel, ist einer von vielen Impulsen, die für die Aufnahmen von "Too true" relevant waren. Und so ist das Album selbstverständlich nicht, wie das billige Cover oder auch die schon übertrieben absurde H&M-Werbung suggerieren möchten, ein Plastikobjekt ohne jeglichen Nährwert, sondern eine Ansage, die jenen den Spiegel vor die Nase hält, die genau das für das einzig Wahre halten, bis ihnen die Schminke unter den verheulten Augen verläuft. Dass der Hörer hier nicht bei Smiley-Miley und ihren Teddybären ist, macht schon der schwerstampfende Opener "Cult of love" deutlich, der zwischen New Wave und Post-Punk schwankt und einen ersten Vorgeschmack auf das bietet, was sich in der kommenden halben Stunde langsam aufbauen wird.
Penny und ihre Mitstreiterinnen machen sich die Maschinerie zu eigen, verzichten dabei aber auf große Effekte. Die Songs, wie schon zuletzt auf "Only in dreams" produziert von Richard Gottehrer (Blondie, The Go-Go's) und The Raveonettes' Sune Rose Wagner, wurden in Pennys Schlafzimmer mit dem gerade vorhandenen Equipment eingespielt – von Nachteil war das nicht. Im Gegenteil: Die Beziehungsende-Nummer "In the wake of you" funktioniert dank ihrer Mischung aus Kratzbürstigkeit und Verspieltheit, und die aus dem H&M-Clip bekannte Single "Lost boys and girls club" klingt wie eine lange verschollene Zusammenarbeit von Strawberry Switchblade und The Sisters Of Mercy. Währenddessen würde das aufgedrehte "Rimbaud eyes" sicher nicht nur alte französische Poeten verführen, womit auch einmal mehr bewiesen wird, dass die Liebe zur Literatur Pennys Songwriting in den letzten Jahren merklich zugute kam.
Weniger subtil und deutlich shoegaziger kommt "Evil blooms" daher, dessen Zeile "Why be good, be beautiful and sad / It's all you've ever had" als exemplarisches Mantra für das eigentliche Konzept des Albums stehen könnte. Das (sicher nicht nur sexuelle) Verlangen als Muse, die Durchsetzung der eigenen Bedürfnisse und das Aufstehen nach dem Fall – all das ist nicht neu, bekommt dank "Too true" aber einen schönen neuen Anstrich. Und wenn Penny zum Schluss mit "Trouble is my name" jegliches Make-up entfernt und ihr wahres Gesicht nicht nur präsentiert, sondern ihm selbstbewusst im Spiegel entgegenblickt mit den zum Glück in der Vergangenheit liegenden Worten "I wanted to be dead", fragt man sich endgültig, warum da eigentlich diese Bedenken am Anfang waren. Never judge a book by its cover – wer weiß, was man innen findet.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Evil blooms
- In the wake of you
- Lost boys and girls club
- Trouble is my name
Tracklist
- Cult of love
- Evil blooms
- Rimbaud eyes
- Are you okay?
- Too true to be good
- In the wake of you
- Lost boys and girls club
- Little minx
- Under these hands
- Trouble is my name
Im Forum kommentieren
Leatherface
2014-01-29 19:26:13
Gibt's schon seit ein paar Tagen auf Spotify.
wo
2014-01-29 19:15:21
Gibt es irgendwo einen kompletten stream, oder woher kennt ihr schon das komplette album?
Leatherface
2014-01-28 14:45:11
Kein großer Fan vom Debüt. Dieser Siouxsie & The Cure-Sound gefällt mir sehr gut mit seinen dunkel-glitzernden Keyboard & Gitarrenwänden. Leider sind nur die Songs an sich schwächer als auf der Vorgänger-EP "End Of Daze". Ein Meisterstück wie "Lord Knows" fehlt gänzlich und man hört auch leider, dass Dee Dee wie berichtet ihre Stimme ein Stück weit verloren hat.
musie
2014-01-28 09:02:36
ich finds nicht so schlecht, alles etwas glatter als bisher. passt schon, dass hier the raveonettes beteiligt sind. mein highlight des albums ist ganz klar der titelsong.
Garp
2014-01-27 21:21:41
Nach einem Durchlauf fällt es mir schwer an einen zweiten zu glauben. Der Schwung des ersten Albums und der EP ist komplett weg, dazu klingen die Songs vollkommen überproduziert und weichgespült. Schade, eine einzige Enttäuschung.
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