Lee Bannon - Alternate / Endings
Ninja Tune / Rough TradeVÖ: 10.01.2014
Ein Nerd auf Hochtouren
Lee Bannon ist ein Nerd. Im positiven Sinne natürlich. Die Sensoren sind auf musikalischen In- und Output feinjustiert, die Grundbedürfnisse werden nebenbei so weit wie nötig befriedigt. Aufstehen, Beats bauen, Field-Recordings sammeln, im Plattenladen stöbern, wieder Beats bauen. Seine Interviews sind geprägt von einer hohen Dichte an musikalischen Querverweisen, Gedankensprüngen und unfertigen Sätzen. Mit Bannon zu reden erfordert folglich hohe Konzentrationsbereitschaft. Auf die kognitive Geschwindigkeit, die wie sein nun erschienenes Debütalbum "Alternate / Endings" größtenteils im 160er BPM-Bereich anzusiedeln ist, muss man sich einlassen. Hierauf kreiert Bannon eine Melange aus hektisch-schummrigen Beat-Arrangements, die sich in die hypnotisierenden Soundcollagen regelrecht reinfräsen.
Bannon war lange Zeit ein eher unbekanntes Gesicht in der HipHop- und Jungle-Szene. Fleißig werkelte er an den verschiedensten Projekten, mal in Kollaboration mit Indie-Rappern wie Chuck Inglish, meistens aber alleine und für sich. Herausgekommen ist eine Fülle an Beats und Sounds, die sich Ideen und Elemente aus HipHop, Ambient und Drone zu eigen machen und in düsteren, verwobenen Instrumentals münden. Exemplarisch ließen sich die beiden in wenigen Tagen produzierten EPs "Fantastic plastic" und "Caliguka theme music 2.7.5" anführen, ermöglichen jedoch nur einen äußerst unzureichenden Blick auf sein Œuvre. Erste Aufmerksamkeit erlangte Bannon durch sein Mitwirken bei Joey Bada$$' "Summer knights" und diversen Sessions mit der Pro-Era-Crew. Das britische Kultlabel Ninja Tune wurde auf diesen umtriebigen Produzenten aufmerksam und nahm ihn folgerichtig unter seine Fittiche. Mit "Alternate / Endings" liefert Bannon nun sein Erstlingswerk ab und siehe da, von dem Wohlfühl-HipHop alter Tage ist nicht mehr viel übrig geblieben. Vielmehr schraubt der Kalifornier die BPM-Zahl in die Höhe, weg vom trägen Kopfnickertempo hin zum experimentierfreudigen, hektischen Jungle-Gehetze, unter Mithilfe von Mars-Volta-Bassist Juan Alderete sowie Freund und Musikkollegen Black Atlass.
Gleich mit dem Opener "Resorectah" schießt Bannon mit klassischen Beatsalven und Amen-Breaks, wenn auch stark verfremdet, um sich. Eingewöhnungszeit für den Hörer? Mitnichten. Der 26-Jährige orientiert sich an den Jungle-Ikonen der 90er Jahre, kopiert diese jedoch nicht, sondern zerstückelt ihre charakteristischen Merkmale und fügt sie, angereichert mit Effekt-durchtränkten Field-Recordings, Gitarrenloops und Synthesizern, zu erfrischend neuen Klangwelten zusammen. Fraktale Beatstrukturen und sinistre Ambientflächen greifen bei "Alternate / Endings" ineinander und erzeugen fragile Texturen mit cineastischem Flair, gekonnt inszeniert bei "Phoebe Cates" und "216". Filme wie "Requiem for a dream" oder "There will be blood" dienten als Inspirationsquellen; ihre schwer verdaulichen, beklemmenden Momente finden sich bei Bannon perfekt umgesetzt. Diese Intensität ist jedoch kalkuliert, gar gefordert, spricht er doch selber von einem Anspruch auf "serious hard listen with no chaser".
Bannon fügt ein weiteres Mosaiksteinchen zum aktuell vorherrschenden Jungle-Comeback hinzu, das durch Machinedrums "Vapor city" oder dem footworklastigen DJ Rashads "Double cup" ins Rollen gebracht wurde. "Alternate / Endings" erfordert Geduld und Bereitschaft, belohnt einen schlussendlich jedoch mit einem eindringlichen Hörerlebnis eines experimentierfreudigen Beatbastlers. Um die 100 Songs nahm Bannon in den letzten sechs Monaten auf, reduzierte diese Fülle schlussendlich auf 12 bzw. 13 Songs. Auf neues Material wird man somit wohl nicht lange warten müssen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Phoebe Cates
- 216
- Value 10
- Readly / Available
Tracklist
- Resorectah
- NW / WB
- Prime / Decent
- Shoot out the stars and win
- Bent / Sequence
- Phoebe Cates
- 216
- Perfect / Division
- Value 10
- Cold / Melt
- Readly / Available
- Eternal / Attack
Referenzen