Jonathan Wilson - Fanfare
Bella Union / [PIAS] Cooperative / Rough TradeVÖ: 18.10.2013
An die Hörner!
Machen wir's kurz: Bei Jonathan Wilson ist alles lang. Die Haare, die immer ein bisschen hippiesk ungekämmt aussehen. Die Liste der Hochkaräter, mit denen er als Multi-Instrumentalist und Produzent bereits erfolgreich kollaboriert hat (Bonnie 'Prince' Billy, Glen Campbell, Elvis Costello, Erykah Badu). Und auch sein neues Studiowerk – 98 Sekunden hätten noch auf "Fanfare" gepasst. Dass er darauf gleich sieben Mal die Sechseinhalb-Minuten-Marke knackt, trug seinen Teil dazu bei, dass ein bekanntes amerikanisches Musikmagazin den Nachfolger von Wilsons 2011 erschienenem Bella-Union-Debüt "Gentle spirit" als "ausuferndes Psychedelia-Westcoast-Folk-Meisterwerk" bezeichnete. Und damit vollkommen recht hatte.
Jeder Versuch einer adäquaten Detail-Beschreibung wirkt ob der reich ornamentierten Opulenz und der bedingungslosen Freiheit seiner Kompositionen bloß wie ein bemitleidenswertes Fragment. Man muss sich dem Album also im Weitwinkel-Modus nähern: Da ist dieser unerhört authentisch klingende Laurel-Canyon-Sound, dem man einfach nicht abnimmt, dass er weder in den späten Sechzigern, noch in den frühen Siebzigern, sondern gut vierzig Jahre später aufgenommen wurde. Wilson selbst ist schließlich erst 1974 geboren. Dass der Amerikaner in "Cecil Taylor" mit den Altmeistern Graham Nash und David Crosby umwerfenden Harmoniegesang zelebriert, könnte ebenso glatt als akustische Fata Morgana durchgehen. Zu makellos die ätherische Schönheit, zu symbiotisch die vokale Verschmelzung. Aber wahr.
Auch die weiteren Gastmusiker sind ein real gewordener Promoter-Traum: Mike Campbell und Benmont Tench von Tom Petty & The Heartbreakers, Patrick Sansone von Wilco und Jackson Browne, in dessen Studio "Fanfare" gemischt wurde. Es ist fast unnötig zu erwähnen, dass das Album analog aufgenommen wurde – das gehört sich schließlich so für einen professionellen Nostalgiker. Die Michelangelo-Anspielung auf dem Plattencover, das Göttliche also zum Greifen nah, lässt bereits erahnen, dass Wilson sich mit irdischer Gewöhnlichkeit nicht zufrieden gibt. "Fanfare" eröffnet dann auch ganz konsequent mit psychedelisch-orchestralem Wahnsinn, der sich nach gut drei Minuten zumindest kurz zurückzieht, um für den ersten Auftritt von Wilsons Stimme Platz zu machen, würdevoll untermalt von einem Steinway-Konzertflügel.
"Dear friend" wechselt zwischen hinreißendem Harmoniegesang und bewusstseinserweiterten Folkrock-Expeditionen mit irrwitzigen Gitarrensoli. "Love to love" cruist mit sonnenverwöhntem Westcoast-Pop auf dem Beifahrersitz über den Highway, und "Future vision" ist in seinem leidenschaftlichen Überschwang gleichermaßen kühn und wunderbar romantisch. Der melodiös herausragende "Desert trip" wird von einer beherzt gezupften Akustikgitarre getragen, während "Lovestrong" mit einem hypnotischen Klaviermotiv zunächst den Blues und dann auch noch Jazz und Funk anlockt. Wie eine grandiose Improvisation, die trotz aller gefühlten Spontaneität immer einen Masterplan hat. Und auch der ist lang. Mindestens so lang wie die Liste der Ehrungen und Auszeichnungen, die Wilson für "Fanfare" verdient hätte. Sogar mit ungekämmten Haaren.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Fanfare
- Future vision
- Cecil Taylor
- Desert trip
Tracklist
- Fanfare
- Dear friend
- Her hair is growing long
- Love to love
- Future vision
- Moses pain
- Cecil Taylor
- Illumination
- Desert trip
- Fazon
- New Mexico
- Lovestrong
- All the way down
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kingbritt
2021-03-20 17:14:29
. . . wunderbares Album. Sehr relaxter Westcoast-Surf-Hippie-Vibe.
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2021-03-20 16:58:04
Mein persönlicher Favorit ist ja Fazon, aber da sind wirklich viele Highlights drauf.
Lateralis84skleinerBruder
2021-03-19 22:39:57
Kenne davon glaube ich nur den Opener. Der hatte aber einen richtig guten Vibe
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2021-03-18 18:10:51
Ich hab das Album irgendwann letztes Jahr entdeckt und bin immer noch ziemlich begeistert. Ich finde es auch ziemlich vielfältig, was verschiedene Stile angeht.
Matze Reim
2018-02-28 18:04:34
Nett, gefällig und ein bisschen bieder, so sind Jonathan Wilsons Lieder.
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