Adrian Utley's Guitar Orchestra - In C

Invada / Cargo
VÖ: 25.10.2013
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Die Cegeisterung

Dass man in der Minimal Music weder besonders viele Worte noch Noten verschleißt, sollte gemeinhin bekannt sein. Stattdessen ergaben und ergeben sich die Kompositionen, Dynamiken und nicht zuletzt die Eloquenz dieser Musik vor allem aus diversen Verschiebungen und Überlagerungen, sodass die Klagdistanz zum Drone oder Ambient nicht allzu weit ist. Terry Rileys "In C" nahm 1964 so ziemlich am Anfang der Entwicklung viele dieser Dinge bereits sehr sehr wörtlich. Der Titel ist Programm, und die Ausführung bezieht ihr musikalisches Können vorrangig aus Durchhaltewillen und Eigenverantwortlichkeit der Musiker. Portisheads Adrian Utley hat nun für seine Bearbeitung von "In C" dessen Tempo nicht nur merklich gedrosselt, sondern auch gänzlich auf Gitarreneffekte heruntergestimmt – und zwar vornehmlich auf ein Klangmeer aus Reverb und Delay. Damit stiehlt er Rileys Stück zwar eine Menge Klangforschung, Free-Jazz und Musikschulen-Kakophonie, verleiht ihm zugleich aber auch ein deutliches Mehr an melancholischer Atmosphäre.

Zumal sich auch Utley in der Besetzung nicht lumpen lässt: 18 Gitarristen, vier Orgelspieler und jeweils einmal Percussion und Bassklarinette verbraucht er während dieser Live-Aufführung – und es liegt der Schluss nahe, dass jeder von ihnen weniger aus Erschöpfung, sondern am Weichkeks-Syndrom aus dem Ensemble fällt. Deshalb sollte sich auch der Hörer gewiss sein, worauf er sich bei "In C" einlässt: nämlich auf eine pickepackevolle Stunde Gitarrenwaber, aus der sich Melodien und Harmonien – kompositionsgemäß – eher durch diverse rhythmische Tektoniken ergeben denn durch ein auf Klimax, Hooks oder Leitmotive orientiertes Arrangement. Das aber ist eben bereits von Riley so gedacht und vorgegeben, und Utley ersinnt daraus in der Tat eine atmosphärisch untadelige Gehirnwäsche, zu der sich ganz wunderbar so ziemlich allem, was in der Dunkelheit pulsartig vor sich hin blinkt, zuprosten lässt. Also etwa: Skylines, Sterne, Hubschrauber und ähnliches Fluggerät, der Doppelpunkt der Radiowecker-LED oder auch das Blaulicht des Rettungswagens, dessen Besatzung findet, dass man mittlerweile besorgniserregend lange auf diesen Doppelpunkt gestarrt hat.

In Wahrheit jedoch pulst hier allein die Note C vor sich hin und bildet den Grundstock all der Soundteppiche bis -gemälde, die aus den Sechssaitern fließen, klopfen, quellen. Das ist dann stets derart nahe an Postrock minus Beat, Rock und Wumms, dass der gute alte Krautrock als angeblicher Urvater sanft zur fünften Geige massiert wird. Und dass vor allem die apokalyptischen Western-Motive der Marke Godspeed You! Black Emperor immer wieder zwischen den Takten aufbranden, ist ebenfalls ein Zungeschnalzen, das so nicht erwartet werden musste. Dennoch: Dieser guten Stunde Note für Note, Sekunde für Sekunde hinterherzuhören, bleibt eine Geisteskrankheit von Musiktheoretikern – dass man jederzeit und egal aus welcher Alltagstätigkeit mental zu "In C" herüberzappen kann und sich dabei stets sehr aufgehoben fühlt, begeistert hingegen auch den Plattentester. Im wörtlichen Sinne, versteht sich. Will sagen: Schlussendlich ist man dudeldick vom Schlammbad der eigenen Synapsen. Was ja immer mal wieder ein durchaus erstrebenswerter Zustand ist.

(Tobias Hinrichs)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • In C

Tracklist

  1. In C
Gesamtspielzeit: 61:23 min