Platonick Dive - Therapeutic portrait
Black Candy / Rough TradeVÖ: 09.12.2013
Gib Dir Zeit
Höher, schneller, weiter, immer Vollgas, den Tacho auf Anschlag - permanenter Stress ist heutzutage Zustand, Entspannung ist Luxus. So ist es nicht verwunderlich, dass sich der Trend zum Schenken von Zeit, gemeinsamer Zeit, immer mehr durchsetzt. Ein Buch vorlesen, statt eines zu verschenken. In den Park zum Kicken gehen, statt die neueste Version der Fußball-Simulation in die Konsole zu schieben. Ein Zoobesuch statt dem x-ten Stofftier für die Kinder der Nachbarn. Wer Musik verschenken möchte, der bewegt sich aufgrund des Geschmacksgefälles auf dünnem Eis. Es bietet sich allerdings an, sich mit "Therapeutic portrait" von Platonick Dive selbst zu bescheren und es dann nebeneinander auf dem Teppichboden liegend, der oder dem Bedachten vorzuspielen.
Tatsächlich ist die sanfte Kombination aus Postrock- und Elektronika-Elementen der italienischen Dreier-Formation gut dazu geeignet, allein oder gemeinsam dem Stress zu entfliehen und sich hinweg zu träumen. Denn bis auf den gesprochenen Text im Eröffnungsstück und die einsame, elektrisch gewandelte Gesangspassage in "Soundproof cabinet" kommt das Album rein instrumental aus. Auch ansonsten sind die Steigerungen der neun Stücke eher gedämpfter Natur. Natürlich tauchen die obligatorischen Gitarrenwände in regelmäßigen Abständen auf, der Fokus von "Therapeutic portrait" liegt aber darin, diese mit jeder Menge elektronischer Komponenten aufzuwiegen. So webt "Youth" noch ein feines, schimmerndes Volt-Netz, während im Anschlussstück schon Blitze durch die anfänglich nur pluckernde Tropfsteinhöhle huschen.
In "Outro Moscova Jazzcore", das mit seinen vier Minuten als eigenständiges Stück durchgeht, fehlen die Gitarren dann sogar endgültig und die Platte verlässt jegliches Vorsilbe-Rock-Metier - Post-Dubstep statt Postrock? Die Duplex-Kombination "The time to turn off your mind" zeigt den zarten aber wirkunsgvollen laut/leise-Dualismus zwischen Konserven- und Instrumentensound am besten, welcher gerade genügend Lücke aufreißt, um darin verlorengehen zu können. Der wiederhallende erste Teil formt klickernd den Durchbruch zum Klangraum des zweiten, in welchem dann beide Gitarristen auf einmal einsteigen und sich so genügend Durchschlagskraft zur Kontrasterzeugung entwickelt.
Statt sich zusammen auf dem Teppichboden lang zu machen, wäre gemeinsame Zeit im Proberaum sicherlich ebenfalls ein lohnenswertes Alternativpräsent. Ob sich Gabriele Centelli, Marco Figliè und Jonathan Neil schon vor Jahren auf diese Weise beschenkt haben, ist leider nicht bekannt. Ihr müheloses, gelöstes Debüt legt diese Vermutung allerdings nahe.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Youth
- Træ
- The time to turn off your mind (Part two)
Tracklist
- Meet me in the forest
- Youth
- Soundproof cabinet
- Træ
- Wall gazing
- Lovely violated innocence
- The time to turn off your mind (Part one)
- The time to turn off your mind (Part two)
- Outro Moscova Jazzcore
Referenzen