Peter Gabriel - And I'll scratch yours

Real World / Virgin / EMI
VÖ: 20.09.2013
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die Revanche

Zugegeben, die Idee an sich ist bestechend. Der ursprüngliche Plan von Peter Gabriel war bereits 2008, Songs einiger handverlesener Künstler zu covern, die dann ihrerseits einen Gabriel-Song neu interpretieren. Dummerweise ging "Scratch my back", der erste Teil dieses Vorhabens aus dem Jahr 2010, aufgrund allzu manieristischer Interpretationen so ziemlich ins Beinkleid. Und zwar dermaßen nachhaltig, dass beispielsweise Radiohead ihre Zusammenarbeit direkt aufkündigten – nicht zu Unrecht, hatte Gabriel ihr "Street spirit (Fade out)" doch jeglichen Zaubers beraubt. Aber auch David Bowie und Neil Young fühlten sich unpässlich, sodass es mehr als drei Jahre dauerte, bis die anderen Protagonisten ihrerseits durch das Œuvre des Altmeisters streiften.

Nun ist die Diskussion über die Qualität derartiger Cover-Alben so alt wie die Idee selbst. Doch der Blick auf die Trackliste wirft natürlich Fragen auf, ob die letztlich an "And I'll scratch yours" beteiligten Künstler auf Nummer Sicher gehen wollten oder schlicht der Kommerz-Gedanke im Vordergrund stand – diesbezügliche Überraschungen bleiben nämlich bis auf das von Brian Eno zu einem radikalen Elektro-Massaker zerstückelten "Mother of violence" aus. Dafür kann die Umsetzung zunächst überzeugen, verfrachtet doch zum David Byrne gleich zu Beginn "I don't remember" derart auf die große Tanzfläche, dass man tatsächlich meinen könnte, Gabriel habe 1980 die verschrobene Genialität der Talking Heads gleich mit eingebaut.

Herrlich sphärisch-entrückt ist auch "Come talk to me" von Bon Iver, obwohl der brüchige Gesang von Sinéad O'Connor aus dem Original nur ansatzweise ersetzt werden kann. Dann allerdings drängt sich allzu oft der Eindruck auf, dass viele Interpreten wahlweise zu respektvoll oder zu mutlos agieren. So wirkt Regina Spektors loungige Version von "Blood of Eden" trotz des gewohnt fragilen Gesangs irgendwie vordergründig, und bei "Games without frontiers" könnte man meinen, dass nicht etwa Arcade Fire, sondern doch Gabriel selbst hinter dem Mikrophon wären. Gänzlich enttäuschend allerdings sind das pappige "Not one of us" sowie "Don't give up", bei dem Feist nie auch nur ansatzweise das Charisma von Gabriels Duettpartnerin Kate Bush erreicht.

Doch kurz bevor der Ärger über eine erneut vergebene Großchance wächst, sorgt der unvergessene Lou Reed für die größte Sternstunde. Diese kühl dahingeknarzte Version von "Solsbury Hill" ist ein perfektes Beispiel für Dekonstruktion und Neuaufbau – Reed drückt diesem Song seinen Stempel auf und erweist gerade dadurch höheren Respekt, als hätte er sich sklavisch ans Original gehalten. Ein brillantes Vermächtnis des Altmeisters. Während also Gabriel selbst 2010 mit "Scratch my back" an seiner eigenen Ambition gescheitert ist, ist "And I'll scratch yours" zwar beileibe nicht schlecht und letztlich deutlich besser gelungen, nutzt aber dennoch nicht immer sein Potenzial aus. Irgendwie aber auch beruhigend, dass sich selbst Ikonen wie Peter Gabriel einmal zu viel zumuten können.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • I don't remember (David Byrne)
  • Mother of violence (Brian Eno)
  • Solsbury Hill (Lou Reed)

Tracklist

  1. I don't remember (David Byrne)
  2. Come talk to me (Bon Iver)
  3. Blood of Eden (Regina Spektor)
  4. Not one of us (Stephin Merritt)
  5. Shock the monkey (Joseph Arthur)
  6. Big time (Randy Newman)
  7. Games without frontiers (Arcade Fire)
  8. Mercy Street (Elbow)
  9. Mother of violence (Brian Eno)
  10. Don't give up (Feist feat. Timber Timbre)
  11. Solsbury Hill (Lou Reed)
  12. Biko (Paul Simon)
Gesamtspielzeit: 54:46 min

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