The Strypes - Snapshot
Virgin / UniversalVÖ: 06.12.2013
Grünschnäbel auf Zeitreise
Aus gerade mal drei Bögen Papier besteht ein herkömmliches CD-Booklet. Summa summarum also zwölf Seiten. Man kann sechs Mal umblättern, Songtexte lesen oder Fotos gucken. Zum Beispiel Fotos von vier Milchgesichtern mit Wuschelmähnen. Mit Lederjacken, coolen Blazern, Sonnenbrillen und Röhrenjeans. Aber auf gleich acht Seiten?! Da möchte jemand Aufmerksamkeit. Darf ich vorstellen? Ein neues Kapitel aus der 00er-Mottenkiste "The" + Bandname! Blutjung und taufrisch, aus der irischen Provinz via iTunes-Charts, NME- Szenehype und Arctic Monkeys-Support-Slot über den Ärmelkanal geschippert – und pünktlich zur nächsten 60s-Party auf dem Festland gestrandet: The Strypes.
Wie jetzt? Schon abgeschreckt? Nicht doch. Von all den prall gefüllten Klischee-Schubladen wollen wir uns doch nicht schon wieder aufs Glatteis führen lassen. Immerhin krallte sich "Snapshot" vor einigen Wochen Platz fünf der UK- bzw. Rang zwei der Irland-Albumcharts.
Dass auch die älteren Semester dem Retro zum Quadrat-Sound der Strypes durchaus etwas abgewinnen dürften, liegt auf der Hand. Denn die vier ungestümen Burschen aus Cavan machen aus ihrer Vorliebe für klassischen Rhythm&Blues und Rock'n'Roll nun wahrlich keinen Hehl. Gerade mal 21 Sekunden lässt die Band Zeit für Lockerungsübungen, bevor "Mystery man" in gut zwei Minuten erste Schweißflecken auf Vintage-Hemd und Petticoat sichtbar macht. Von einem ebenso markanten Blues-Riff gepeitscht, reitet dann auch schon der UK-Hit "Blue Collar Jane" durch die Prärie. Damit alles nach Früher, aber trotzdem modern klingt, positionierten The Strypes niemand Geringeren als Alt-Veteran Chris Thomas hinter den Reglern. An seine Aufnahmen mit Pink Floyd oder den Sex Pistols wird er sich wohl noch erinnern. Ob er sich dagegen noch entsinnt, was er mit 16 gemacht hat?
Dass The Strypes – alle zwischen 16 und 18 Jahren jung – ziemlich genau wissen, was sie tun, zeigen sie nicht nur bei ihren auf der Insel regelmäßig gefeierten Gigs. Mit "You can't judge a book by the cover" und "I can tell" huldigt man Bo Diddley gleich doppelt und mit den Rolling Stones, den Hollies, der Spencer Davis Group, The Small Faces oder The Animals stecken The Strypes eben mal die versammelten Rhythm&Blues-Größen der 60er in einen Sack, schütteln diese kräftig durch, und pflücken sich die Fetzen wieder fein zusammen. Das ironisch-kritische "What the people don't see" macht das The-Strypes-Rezept in Sachen Erfolgsplanung dann noch etwas transparenter: "You better make it quick/ 'cause the attention doesn't last" zeigt zudem eine überraschende Portion Selbstreflexion dieser Grünschnäbel. Im hinteren Drittel von "Snapshot" katapultiert der knackig-kurze Bluesrocker "What a shame" und die polternde Single "Hometown girls" mitten rein in das angesagteste 60er-Jahre-Tanzlokal.
Wenn also vier Halbwüchsige von der Insel sich dazu aufmachen, die Uhr einfach mal 50 Jahre zurückzustellen, um mit antiquiertem Sound und geklonter Wild-Sixties-Attitüde eben mal schnell Europa zu erobern, fragen sich einige leicht genervt: "Braucht es das wirklich?!" Angesichts dieser musikalisch und textlich zwar simpel gestrickten, aber handwerklich einwandfreien 37 Minuten, die ordentlich Laune machen, lautet die Antwort: "Warum nicht?". Vielleicht gibt's beim nächsten Album dann noch mehr eigene Songs. Und im Booklet ein paar Fotos von den Groupies.
Highlights & Tracklist
Highlights
- What the people don’t see
- You can't judge a book by the cover
- What a shame
- Hometown girls
Tracklist
- Mystery man
- Blue Collar Jane
- What the people don’t see
- She's so fine
- I can tell
- Angel eyes
- Perfect storm
- You can't judge a book by the cover
- What a shame
- Hometown girls
- Heart of the city
- Rollin' and tumblin'
Referenzen
Spotify
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